piwik no script img

Keine Hoffnung für Bosnien

■ Vermittler Vance und Owen wollen bosnische Kriegsparteien zur Annahme des Plans zwingen

Genf (taz) – Schwere Kämpfe und massive militärische Drohungen waren die erste Reaktion auf den Abbruch der Genfer Friedensverhandlungen am Samstag. Vor allem in Sarajevo und anderen von Moslems gehaltenen Städten in Bosnien starteten serbische Verbände neue Angriffe. Angeblich ist die serbische Armee auch an der Drina erfolgreich auf dem Vormarsch. Aber auch in Kroatien könnte der Krieg erneut ausbrechen. Präsident Franjo Tudjman kündigte an, Kroatien werde das UNO-Mandat für Ostslawonien nicht verlängern, wenn die UNO die Rückkehr der Vertriebenen nicht sicherstellen könne. „Dann werden die Kroaten die Sache selbst in die Hand nehmen.“ Der bosnische Präsident Alija Izetbegović hat unterdessen in Zagreb erklärt, ein „internationales Protektorat für Bosnien“ könnte eine Übergangslösung sein.

Die beiden Vorsitzenden der Jugoslawien-Konferenz, Cyrus Vance und David Owen, werden heute das von ihnen konzipierte Abkommen ihren Auftraggebern UNO und EG zur Absegnung vorlegen. Vor allem vom UNO-Sicherheitsrat erhoffen sich Vance und Owen die Androhung von Maßnahmen, mit denen zunächst die Muslime und dann auch die Serben doch noch zur Annahme des gesamten Abkommens gezwungen werden sollen. Das Kalkül der beiden Konferenzvorsitzenden: einen Beschluß des UNO-Sicherheitsrates könnten beide zu Hause als ein „Diktat“ des höchsten UNO-Gremiums verkaufen, dem sie sich hätten beugen müssen.

Bereits am Sonntag informierte Owen in Kopenhagen die derzeitige EG-Präsidentschaft. Heute morgen wird er in Brüssel den zwölf EG-Außenministern Bericht erstatten und ihnen das dreiteilige Abkommen (Provinzkarte, Waffenstillstandsvereinbarung und Verfassungsprinzipien) präsentieren. Am Nachmittag übergeben Vance und Owen die Dokumente nebst einem Bericht an UNO-Generalsekretär Butros Butros Ghali. Ghali wird die Unterlagen bis spätestens Mittwoch dem Sicherheitsrat vorlegen. Ab Mittwoch sollen sich auf Aufforderung von Vance und Owen auch Präsident Alija Izetbegović, Serbenführer Radovan Karadžić und Kroatenchef Mate Boban in New York für Gespräche mit dem Sicherheitsrat bereithalten. Mit einem Beschluß des höchsten UNO-Gremiums wird frühestens für das nächste Wochenende gerechnet. Noch für heute abend ist eine Begegnung der beiden Konferenzvorsitzenden mit US-Außenminister Warren Christopher vorgesehen. Dabei werden Vance und Owen auf die volle Unterstützung der Clinton-Administration für das Abkommen und die von ihnen verfolgte Strategie drängen. Nach Auskunft ihrer engsten Genfer MitarbeiterInnen setzen sie darauf, die US-Regierung noch in dieser Woche zu der endgültigen, offiziell verkündeten Entscheidung zu bewegen, sich im UNO-Sicherheitsrat nicht für eine Aufhebung des Waffenembargos an die Muslime einzusetzen.

Nach dem Scheitern der Genfer Konferenz hatten sich unter anderen Bundeskanzler Helmut Kohl und Verteidigungsminister Volker Rühe für eine Aufhebung des Waffenembargos ausgesprochen. Der britische Premierminister John Major warnte hingegen in einem Schreiben an Clinton erneut vor Maßnahmen, die zu einer Gefährdung der in Bosnien-Herzegowina stationierten UNPROFOR-Truppen, darunter über zweitausend britische Soldaten, führen könnten. Vance und Owen hoffen, daß das von ihnen vorgelegte Abkommen trotz der darin angelegten Zementierung der ethnischen Teilung Bosnien-Herzegowinas auf Kosten der Muslime letztendlich sogar die Unterstützung der islamischen Staaten findet. Denn, so der Vertraute der beiden Konferenzvorsitzenden, „auch in New York dürfte niemand eine bessere Alternative auf den Tisch legen“. azu Seiten 8 und 10

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen