: Verwirrspiele um die Zukunft Bosniens
■ Die gescheiterten Vermittler Owen und Vance legen Optimismus an den Tag/ Morgen berät der Sicherheitsrat/ Russische Warnungen vor Schlag gegen Serbien
Zagreb/Belgrad (AFP) – Wenige Stunden bevor der UN-Sicherheitsrat erneut über den Krieg im früheren Jugoslawien beraten wollte, sind gestern die Kämpfe in der südkroatischen Krajina fortgesetzt worden. Serben und Kroaten machten dazu unterschiedliche Angaben. Nach serbischen Angaben griffen die kroatischen Streitkräfte entlang der gesamten Südfront der serbisch kontrollierten Krajina an. Der serbische Kommandeur in der Krajina, Mile Novakovic, protestierte nach Angaben der Belgrader Nachrichtenagentur Tanjug bei UNPROFOR- Kommandeur General Satish Nambiar gegen das kroatische Vorgehen. Von der UNPROFOR wurde ein Angriff jedoch zunächst nicht bestätigt. Aus Zagreb meldete die kroatische Agentur Hina unterdessen einen serbischen Artillerieangriff auf Gebiete um die Hafenstädte Zadar und Sibenik.
Unterdessen zeigte sich der EG- Vermittler der gescheiterten Genfer Jugoslawien-Konferenz, Lord Owen, gestern bei einem Besuch in Brüssel optimistisch, daß doch alle drei Kriegsparteien, die USA und der UN-Sicherheitsrat den Friedensplan für Bosnien-Herzegowina unterstützen werden. Auf die Frage, ob es angesichts der heftigen Kämpfe zwischen serbischen, kroatischen und moslemischen Einheiten zu einem Militäreinsatz kommen werde, äußerte sich Owen sehr zurückhaltend. Der EG-Vermittler wollte am Montag auch US-Außenminister Warren Christopher treffen. Christopher hatte sich skeptisch zu dem Genfer Friedensplan geäußert, da die Aufteilung Bosnien-Herzegowinas in Provinzen einer „ethnischen Säuberung“ gleichkomme.
Vance und Owen wollten am Montag dem UN-Sicherheitsrat Bericht erstatten. Wie die beiden Kopräsidenten mitteilten, soll dieser eine endgültige Entscheidung treffen und den Plan notfalls unter Einsatz der „notwendigen politischen, wirtschaftlichen und militärischen Mittel“ durchsetzen. Vertreter der Kriegsparteien sollen am Mittwoch vor dem Sicherheitsrat ihre Positionen erläutern.
Der russische Regierungschef Viktor Tschernomyrdin lehnte am Sonntag am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos alle militärischen Maßnahmen gegen Serbien ab. Auch Andrej Fjodorow, ein enger Mitarbeiter des russischen Vizepräsidenten Alexander Ruzkoj, warnte vor „sehr negativen Rückwirkungen“ in Rußland bei einer Militäraktion der Nato gegen Serbien. Fjodorow erinnerte daran, daß eine große Mehrheit im russischen Parlament Serbien unterstütze und bereit sei, „Tausende von Freiwilligen“ dorthin zu schicken. Nato-Generalsekretär Manfred Wörner sprach sich dagegen in Davos für den Einsatz von Gewalt aus. Der französische Minister für Gesundheit und humanitäre Fragen, Bernard Kouchner, verlangte ebenfalls verstärkte Zwangsmaßnahmen.
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