: Währungsunion gefährdet
■ Schlechte Wirtschaftsaussichten
Brüssel (dpa/AP) – Die EG- Kommission hat erstmals offen eingestanden, daß die gegenwärtige Rezession und die anhaltend düsteren Aussichten für die Volkswirtschaften der Gemeinschaft die geplante Europäische Wirtschafts- und Währungsunion in ernsthafte Gefahr bringen können. In ihrem am Mittwoch in Brüssel vorgelegten Wirtschaftsbericht für 1992 heißt es, ausgehend von einem „sehr schwachen Wachstumspotential“ der EG-Länder werde die Wirtschaft ohne deutliche Trendwende nur allmählich zu Wachstumsraten zwischen zwei und 2,5 Prozent zurückfinden.
Die zu befürchtende Rekord- Arbeitslosigkeit und damit verbundene Zukunftsängste könnten „viele der Projekte, auf die die Gemeinschaft ihre wirtschaftliche Zukunft stützt, ernsthaft in Gefahr bringen: Die volle Verwirklichung des Binnenmarkts, die Wirtschafts- und Währungsunion und die Liberalisierung des Welthandels“. In vorsichtigen Schätzungen sagen die EG-Experten für Europa 1993 ein Wachstum von nur 0,75 Prozent voraus und von 1,75 Prozent im nächsten Jahr. Doch selbst eine Rückkehr zu Zuwachsraten von zwei bis drei Pozent würde nicht ausreichen, um die Lage auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. 1993 würden (einschließlich der neuen Bundesländer) voraussichtlich 17 Millionen EG-Bürger ohne Arbeit sein. Das wären elf Prozent der arbeitenden Bevölkerung. Für 1994 erwartet die EG- Kommission eine Arbeitslosenquote von 11,5 Prozent.
Die Währungsturbulenzen der vergangenen Monate wirkten sich ihrerseits negativ auf die Wirtschaftstätigkeit aus und schadeten der Glaubwürdigkeit des Zeitplans für die europäische Währungsunion, heißt es weiter. Auch könnten die jüngsten Abwertungen im Europäischen Währungssystem (EWS) den erzielten Rückgang in der EG-weiten Inflationsrate wieder gefährden. Mit Blick auf den Preisauftrieb in Deutschland räumt die EG-Kommission aber ein, daß der nötige Spielraum für eine Senkung der wachstumshemmenden hohen deutschen Zinsen noch nicht gegeben ist. Dennoch erklärte der EG-Kommmissar Christophersen, Deutschland komme die Schlüsselrolle für die Ankurbelung der darniederliegenden Konjunktur zu.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen