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Kleine vergewaltigende Biester

■ Die Galerie El Patio zeigt eine spannende aber leider allerletzte Ausstellung.

Zwei winzigkleine Menschenpüppchen, ein Junge und ein Mädchen, sind die heimlichen Hauptfiguren einer Ausstellung der cubanischen Künstlerin Marta Maria Perez in der Galerie El Patio. Großformatige Photos handeln auf eine beinahe grausame Weise von den Ängsten einer Mutterschaft.

Die beiden daumengroßen Figürchen haben sich einer schönen dunkelhaarigen Frau bemächtigt — wie zwei Parasiten, wie zwei unheimliche Abgesandte, die Drohungen überbringen, wie zwei Symbole für Vergewaltigung, Fesselung, Verletzung. Sie krabbeln im wirren Haar der mit Schmuckketten quer durch den Mund gefesselten Frau. Sie halten eine Schere, die die Augen der Frau bedroht. Sie krabbeln auf dem Lehm, in dem die Füße der Frau eingemauert sind und sitzen auf einem Ziegelstein, der ihren Kopf beschwert. Winzig, sicher, abzuschütteln, eigentlich. Die Bilder sind unheimlich schön.

Martha Maria Perez (geb. 1959) hat das Fotografieren dem Selbstauslöser oder ihrem Mann

Marta Maria Peréz Bravo, aus der Serie: Parallele Kulte, 1990

die verspiegelte

galerieraum

Galerie El PatioFoto: Katja Heddinga

überlassen: Technik als Mittel zum Zweck. Ihr anonymisierter, gesichtsloser und trotzdem anziehender Körper ist der Protagonist.

die nackte Frau

Die Fotoinszenierungen begannen 1986 während ihrer Schwangerschaft. Selber Zwillingskind führte sie die Serie fort, nachdem sie ein Zwillingskinderpaar geboren hatte und bezog sich dabei auf die vielfältigen Zwillingsmythen besonder in der afro-cubanischen Religion.

Als Vorbau zur Fotoausstellung sind Ingredenzien einer Zwillingsgeburtsfeier auf weißen Sockeln aufgebaut: Geldscheine, Schmuck, Wein, Zigarillos und Gaben für die Mutterfigur Santa Barbara.

Eines der Bilder, auf dem die kleinen Biester nicht zu sehen sind, zeigt die Brüste der Frau mit den Dornen des heiligen Kapokbaumes bewehrt. Niemand kann ohne Verletzungaus diesen Brüsten trinken. Die Frau aber hat sich ihr T-Shirt wie eine Zwangsjacke über den Kopf gezogen. Auf fast allen Bildern stellt sich die Frau als verwirrend starkes Opfer dar.

Marta Maria Perez' Photobilder sind die letzte Ausstellung in dem hellen Doppelraum des El Patio. Sieben Jahre lang zeigte

die nicht-kommerzielle Galerie Kunst aus Lateinamerika, Asien und Afrika und nahm eine Vorreiterrolle ein, die über das Bremer Umfeld hinauswies.

Jährlich erhielt das El Patio 8.000 Mark von der Kulturbehörde, im letzten Jahr kam ein Notzuschuß von 10.000 Mark dazu, aber das reichte gerade eben als ein minimaler Betriebskostenzuschuß, nicht aber um die engagierte Arbeitskraft von, zum Beispiel, der Bildhauerin und El Patio-Galeristin Rosa Jaisli zu bezahlen. „Vielleicht sind wir nicht heroisch genug“, sagt sie, „aber wir können jetzt nicht mehr“.

Wir, daß ist der El-Patio-Verein, der bestehen bleibt und fest damit rechnet, auch weiterhin den behördlichen Zuschuß zu erhalten. „Wir werden“, so Rosa Jaisli, „zweimal im Jahr eine Ausstellung organisieren und in geeigneten öffentlichen Räumen zeigen. Wir sind nicht nur traurig über den Verlust unserer schönen Räume, wir sehen auch eine Möglichkeit, nach so langer Zeit neue Wege zu gehen.“ Cornelia Kurth

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