: Sozialstiftung kündigt unsozial
■ Drei Monate vor Erreichen des Rentenalters rausgeworfen / Sozialstaatsrat: Hoppensack: „teuflische Situation“
Wer kennt nicht Anne Albers?! Zumindest in Kreisen der SPD ist sie bekannt wie ein bunter Hund. Mit den Genossen im Bremer Senat, aber auch mit SPD-Größen wie dem Vorsitzenden Engholm oder dem Fraktionsvorsitzenden „Uli“ Klose ist sie seit Jahren auf „Du“ wie mit vielen anderen. Im „Viertel“ stand sie auf Plazu eins der SPD-Liste für den Beirat Östliche Vorstadt.
In Bremen ist die redselige Frau, eine Meisterin des Klatsches, inzwischen für viele ihrer Genossen ein rotes Tuch. Auf unerschütterliche Art streitet sie für die Integration lernbehinderter Kinder in den Schulen — ihr früheres Arbeitsgebiet-, gegen Intrigen und Filz und auch mal auf dem SPD-Parteitag für die Arbeitssenatorin Uhl — weil das eine Frau ist und: „Genossen, mit einem Mann wäre man nie so umgegangen“. Auch durch ihre engagierte Art hat sie sich viele Feinde gemacht — mancher tippt sich hinter ihrem Rücken hin und wieder auf die Stirn. „Die wollen mich fertig machen“, sagt Anne Albers über eine ganze Reihe ihrer Genossen.
Die Frau droht jetzt zum Opfer einer „teuflischen Situation“
Bremen — Stadt der Genossenkumpanei, so sieht es Anne Albers
zu werden, formuliert dasselbe der Staatsrat im Sozialressort, Hans-Christoph Hoppensack.
Und das kam so: Ihre Sozialarbeit machte Anne Albers als B
schäftigte der Hans-Wendt-Stiftung. Die betreibt ihre Entlassung zum 20.9.1991. Die Stiftung argumentierte vor Gericht damit, ihr seien die Hönde gebunden, der Auftraggeber für die Sozialprojekte der Stiftung wolle nicht, daß Albers in ihren Projekten beschäftigt werde. Vergeblich versuchte Anne Albers im vergangenen Herbst vor dem Landesarbeitsgericht das Argument damit zu entkräften, daß Stiftungsvorstand und Auftraggeber — Sozialressort — praktisch identisch sind. Verzweifelt versuchte sie die Tatsache, daß auch Arbeitsrichter mit dem Hans-Wendt-Vorstand per Du sind, als deren enheit auszulegen.
Parallel zum Arbeitsgerichts- Prozeß ließ die Hans-Wendt- Stiftung mit sich über eine gütliche Einigung reden — und bot den 31.12.1992 als einvernehmlichen Kündigungstermin an. Anne Albers verlangte eine Verlängerung der Frist bis zum 31.3.1993, dann nämlich hat sie ihren (vorgezogenen) Rentenanspruch erreicht.
Anfang Januar zog Christine Bernbacher, Mitglied im Petitionsausschuß, die Legitimation des Hans-Wendt-Vorstandes in Zweeifel: In einer „Kleinen Anfrage“ die wollte sie wissen, warum dieser Vorstand immer noch amtiere, obwohl die Aufsichtsbehörde schon 1991 die Besetzung moniert hatte. Der Untersuchungsausschuß „Hans-Wendt“ hatte ihm Interessenkollisionen und zweifelhaften Umgang mit dem Stiftungsvermögen vorgeworfen hatte. Das wisse er auch nicht genau, mußte Innensenator van Nispen einräumen. Ein paar Tage nachdem Bernbacher ihre „Anfrage“ eingereicht hatte, hatte immerhin ein neu eingesetzter „Stiftungsrat“ erstmals getagt, der einen ordentlichen Vorstand bestellen soll.
Der alte, in seiner Legitimation angefochtene Vorstand der Hans-Wendt-Stiftung schaffte im Januar gleichzeitig Tatsachen: Mit Schreiben vom 25.1. lehnte er jegliche weiteren Vergleichsverhandlungen ab, am 26.1. urteilte das Landesarbeitsgericht, Kündigung als rechtmäßig. Wenige Tage später erhielt Anne Albers von der Sozialstiftung einen Brief: Wenn nun die Kündigung zum 30.9.1991 rechtmäßig sei, möge sie bitte das seitdem gezahlte Gehalt zurückzahlen.
Wenn das so stehen bleibt, muß Anne Albers bis zu ihrem Lebensende alles, was sie über dem Sozialhilfe-Satz zur Verfügung hat, an die Sozialstiftung abführen. Sozialsstaatsrat Hoppensack, als Vorstand der Hans- Wendt-Stiftung verantwortlich für die Entscheidung, findet die Situation „tragisch“. Die „brutale Kritik des Rechnungshofes“ an sozial motivierten Entscheidungen der Stiftung, so klagt er, zwinge ihn heute dazu, zu handeln, „als wären wir ein Vermögensverwaltungs-Unternehmen“. K.W.
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