: Schweigen war sein letzter Wille
■ Rund 250 Menschen erwiesen gestern dem Ex-Tornado Günter Thews im Krematorium Wilmersdorf die letzte Ehre
Berlin. Irgendwie war klar, daß er noch etwas in petto hatte, und doch hat er es allen mal wieder gezeigt. Nur der engste Freundeskreis wußte Bescheid. Sein langjähriger Weggefährte Arnulf Rating verkündete gestern neben dem blumengeschmückten Sarg im Saal des Krematoriums Wilmersdorf den letzten Willen des Verstorbenen: „Günter hat in einem Testament festgelegt, daß bei seiner Trauerfeier zwanzig Minuten geschwiegen und seiner in Stille gedacht werden soll.“ „Jeder“, fügte Arnulf nach einer kurzen Pause hinzu, „kann natürlich denken, was er will.“ Nur eingangs und am Ende, „damit keiner auf die Uhr sehen muß, wann die Zeit um ist“, werde ein Lied gespielt und der Sarg auf Wunsch der Familie mit einem Vaterunser ausgesegnet.
Der 47jährige Ex-Tornado Günter Thews war am vergangenen Samstag an den Folgen der Immunschwächekrankheit Aids gestorben. „Ohne ihn wären die 70er und 80er Jahre trauriger verlaufen“, erinnerte sich gestern vor der Trauerfeier Arnulf. Der Glatzkopf Günter und der blonde Hüne Arnulf waren sich Anfang der 70er Jahre am Fachbereich Theaterwissenschaft begegnet. Unter den Fittichen des Professors Arno Paul entwickelten sie ihre Talente, die in den Mittsiebzigern in der Gründung der Sponti-Kabarettgruppe „Die drei Tornados“ mündeten. „Die beiden waren wie Pech und Schwefel. Es gab wohl keine schönere Freundschaft“, erinnerte sich Paul gestern. „Günter war ein robuster Egozentriker. Der Motor, der auf der Bühne stampft, zappelt, brüllt und draufhaut, daß die Fetzen fliegen.“
Als Günter Thews zum ersten Mal beim dem Professor für Theaterwissenschaften aufkreuzte, trug er noch eine Perücke und kam frisch aus Kiel. Dort hatte der aus Celle stammende frühere Edeka- Verkäufer an einem kirchlichen Kolleg sein Abitur nachgemacht – eigentlich wollte er in Berlin auf der kirchlichen Hochschule studieren. „Irgendwie hat er es geschafft, sich alle zwei Jahre vom Bezirksamt eine neue Perücke finanzieren zu lassen“, so Paul. Auch bei den Drei Tornados trat Günter gerne mit Perücke auf. Im Alltag legte er sie erst ab, als er Ende der 70er sein Coming-out hatte. Die drei Tornados – nach einem Wechsel war Holger Klotzbach als dritter Mann dabei – traten lange Zeit für ein Butterbrot auf, spielten oftmals aus Solidarität und warben wie kaum eine andere Gruppe Abonnenten für die Gründung der taz.
Daß er HIV-positiv war, hatte Günter seit September 1985 gewußt, hielt es aber lange Zeit vor der Öffentlichkeit geheim. Als die Krankheit richtig ausbrach, stellten Die drei Tornados das Kabarett Ende der 80er ein. Über seine Krankeit sprach Günter in letzter Zeit so offen wie kein anderer. Seine engsten Freunde, die ihn bis zum Schluß regelmäßig besuchten, sprachen gestern voll Bewunderung davon, wie gefaßt und ruhig er mit seinem Leiden und dem Gedanken an den Tod umging. Zuvor hatten sie dem Toten, der zu Hause in seinem mit Kerzen geschmückten Bett aufgebahrt war, die letzte Ehre erwiesen. Rund 250 Menschen waren gestern zur Trauerfeier ins Krematorium gekommen: Familienangehörige, Freunde, auch etliche Fans und Kollegen aus der Kabarett- und Theaterwelt wie Richard Rogler, Heinrich Pachl und Otto Sander. plu
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