: Massensterben der Kulturinitiativen?
■ Der Bremer Kulturrat wehrt sich gegen Krönings Forderungen / Bremer Kultur schon so nur knapp über dem Existenzminimum
“Das Problem mit chronischen Krankheiten ist, daß man irgendwann nicht mehr darüber spricht, und sie niemand mehr wahrnimmt.“ Die düstere Perspektive, die Rolf Rempe, der Verwaltungschef des Bremer Theaters, bei der Pressekonferenz des Kulturrats, eines Zusammenschlusses von 150 Initiativen und Institutionen des kulturellen Lebens, für die bremische Kultur entwarf, ist wirklich nichts Neues. „Und dann stirbt irgendwann der erste, und keiner hat's gemerkt.“ Seit Jahren weiß man, demnächst ist es so weit.
Volker Krönings Forderung einer radikalen Kürzung bei den nicht gesetzlich festgelegten Ausgaben, der im Kulturetat zu Einsparungen von insgesamt 14,5 Mill. Mark zwingen würde, hätte ein Massensterben unter den Kulturinitiativen zur Folge. Alles was klein ist und finanziell wacklig, alles, was schon lange nur mit einem hohen Anteil an unbezahlter Arbeit funktioniert, alles das, was schon der emeritierte Kultursenator Franke am langen Arm der ABM-Zyklen hat darben lassen wäre einem schnellen Tod geweiht.
Enttäuschte Erwartungen, allen Parteien gegenüber, die im letzten Bürgerschaftswahlkampf allesamt der bremischen Kultur kräftige Düngung verheißen hatten; Klagen über die nicht eingehaltenen Versprechungen und das trotzige Beharren auf dem, was hatte erreicht werden sollen, färben die Stellungnahmen der Kulturrats. Sparen mag angesagt sein, angesichts eines Kulturetats, der lediglich 1,87 % des Gesamthaushalts ausmacht (gegenüber einer allgemeinen Forderung des Deutschen Städtetags von 3 %) und die bremische Kulturszene nur knapp über Wasser hält, sei weiteres Sparen hier nicht möglich. Volker Kröning und seine Sparkommissare sollten ihren Blick lieber auf andere Ressorts richten, wo immense Summen Etatgelder versacken. Zum Beispiel Beckmeyers Wirtschaftressort mit seinen Projekten zur Standortförderung, die ewig Millionen- Defizite produzieren und sonst wenig. Bevor der Kulturrat bereit wäre, über den Kulturetat zu reden, sollte erst in jenen Etats Transparenz gewährleistet sein.
Wobei Brigitte Schulte-Hofkrüger, Sprecherin des Kulturrats, die Notwendigkeit einer kulturpolitischen Strukturdebatte betont. Sie brauche man, um nach den Jahrzehnten, in denen die bremische Kulturpolitik sich darauf beschränkte, die festen Etatposten zuzuteilen und über keinen Pfennig Gestaltungsspielraum verfügte, endlich neue Ufer anzupeilen und zu sichten. Bevor jedoch nicht der Bestand der bremischen Kulturszene insgesamt gesichert sei, ist der Kulturrat nicht bereit, über die Struktur der Bremer Kulturszene zu debattieren, denn bisher ist die ungespaltene Eintracht zwischen den Initiativen und Institutionen, zwischen soziokulturellen Stadtteilzentren und subventionierten Theatern, zwischen elitären Kunst-Projekten und subkulturellen Konzert- Veranstaltern die stärkste Waffe, die sie haben. step
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