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Überraschend klassisch

■ Axel Hütte eröffnet neue Reihe zur Künstlerfotografie in der Kunsthalle

eröffnet neue Reihe zur Künstlerfotografie in der Kunsthalle

Die ganze Kunsthalle ausräumen und 458 Aussteller mit über 1000 Fotos zeigen: das wäre noch heute eine höchst ungewöhnliche Sache. Als 1893 der damalige Direktor Alfred Lichtwark genau das tat, erschien es so, als wolle ein Naturforscherkongreß in der Kirche tagen. In Erinnerung an diese epochale Entscheidung vor hundert Jahren hat Hanna Hohl eine neue Ausstellungsserie zu aktueller Künstlerfotografie begonnen.

Den Anfang macht der Düsseldorfer Axel Hütte. In weit reduzierterer Ästhetik als im 19.Jahrhundert hängen in zwei der auch damals genutzten Säle nur zehn Großformate. Unter dem schlichten Titel „Italien“ ist das Bildthema überraschend klassisch: Architektur und Landschaft der Toskana. Doch niemand würde wagen, heute mit ernsthaftem Anspruch einfach die Touristenziele abzubilden. Axel Hütte, Schüler des Fotografenehepaars Bernd und Hilla Becher, verwendet die Realität nur als Ausgangspunkt: „Mich interessiert, wie ich Objekte benutzen kann, um Bilder zu erzeugen“.

Die museale Präsentation der bis zu 2 mal 2,5 Meter großen Arbeiten samt Passepartout und Holzrahmen unterstützt den Anspruch, die Fotos als Bilder in der Tradition der Malerei zu sehen. Mit seiner durch die Optik vorgegebenen Zentralperspektive und dem zusätzlichen Bildaufbau des sauber ausgerichteten Fotos unter Beachtung der klassischen Proportionsregeln ist der Geist der Renaissance beschworen. Axel Hütte sucht die Motive in monatelanger Arbeit und bannt sie erst dann auf seine 13/18 Plattenkamera, wenn auch das diffuse Licht und der blasse Himmel eine sanfte Farbigkeit hergeben.

Denn eine nachträgliche Manipulation im Labor kommt für ihn nicht in Frage. Die Bilder verstehen sich als autonom. Selbst solche mit berühmtesten Ortsnamen haben keinen speziellen Wiedererkennungswert. Und so dürfen die Betrachter in den milchigen Himmel über San Miniato hineinstürzen, im Schwarz-Weiß-Foto eines modernen Ziegelbaus aus Leonardos Geburtsort Vinci einen blaugrauen Himmel wahrnehmen oder im keimenden Wintergetreide des tiefen Bildhintergrundes ein Caspar-David-Friedrich-Grün entdecken.

Und ganz sicher nicht unbegründet meinen, solchen Sichtweisen nicht zum ersten Mal zu begegnen. Denn Fotografie ist schließlich so universell verbreitet, daß jeder immer jemanden kennt, der in höchstem Maße ähnliche Bilder erzeugt hat. Die Kunsthalle will sich im Jubiläumsjahr auch um eine aktuelle Definition der Fotografie zwischen Kunst und Gewerbe bemühen. Die Gespräche mit dem Direktor des Museums eben dieses Namens zur Abgrenzung der Sammelgebiete beider Häuser sollen zu einer Diskussion der spezifischen Rezeptionsfelder von Künstlerfotos, historischer Fotokunst und Fotografenfotografie erweitert werden.

Bisher ist meist die Selbsteinschätzung des Urhebers entscheidend: so gab es keine Zweifel beim Kunsthallenankauf von Fotoarbeiten etwa von Anna und Bernhard Blume, Jochen Gerz, Astrid Klein, Jürgen Klauke, Jörg Sasse oder Candida Höfer - und Axel Hütte wird bald auch dazu gehören. Hajo Schiff

Vorzüglicher Katalog im Verlag Schirmer & Mosel: 30 Mark; bis 28.3.

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