■ Debatte: Zur Diskussion um Klöckner
DEBATTE
Zur Diskussion um Klöckner
Lieber Rudolf Hickel,
ich habe doch geahnt, daß ein Bremer Beamter herbeieilen würde, um sich als PR-Mann für „seine“ Hütte, „seinen“ Stahl und „seinen“ Betriebsratsvorsitzenden profilieren zu können. „Im Schulterschluß“, auf der Basis von C4 mit den von Arbeitslosigkeit bedrohten Kollegen. Das ist alles nur noch zynisch!
Ich habe keinen Zweifel daran, daß auch in Zukunft Stahl ein notwendiger Werkstoff sein wird. Doch selbst wenn alle Metallbecher dieser Welt aus Blech und Bremen wären, sie würden nicht ausreichen, die gigantischen Überkapazitäten der Stahlindustrie und die der Bremer Hütte auszulasten.
Nun forderst Du Betonträger durch Stahlträger und Eisenbahnschwellen durch solche aus Stahl zu ersetzen, denn Stahl sei recycelbar also irgendwie ökologisch. Das ist grober Unfug, nur ein Blick auf die Energie und Schadstoffintensität der Stahlproduktion sollten Dich da eines besseren belehren.
Sieh es doch einmal volkswirtschaftlich:Überleben werden die Stahlstandorte, die einen größeren regionalen Markt bedienen können. Die Hütte in Bremen gehört nicht dazu. Sie ist Fossil einer Zeit, in der in Bremen in ganz anderen industriellen Wachstumsraten gedacht wurde, zu unrecht wie wir nun schon einige Zeit wissen.
Dauersubventionsempfänger mitzuschleppen ist ökonomischer und sozialer Unfug. Außerdem wird es wegen der notwendigen Reparatur Ostdeutschlands keine Bundesmittel geben. Wie langekann also ausgerechnet Bremengegenhalten, wenn die Regionen um ihre Stahlstandortekämpfen, und was muß in einem so defizitären Land wie Bremen alles gespart werden, um sich auf einen so aussichtslosen Kampf einzulassen, falls das Unternehmen das überhaupt mitmacht?
Ich habe übrigens keine „Alternativvisionen“ von einer Dienstleistungsgesellschaft. Ich frage nur nach den Perspektiven und Klöckner Bremen hat keine. Ich biete Dir also eine Wette: In drei Jahren ist die Hütte dicht und man wird den Steuergeldern nachtrauern. Hälst Du dagegen und wenn ja, wie hoch?
Zu einer Diskussion komme ich gerne , — per Bahn! Liebe Grüße
Jo Müller
Dienstleistungsmetropole ohne Industrie?
„Stahl ist doof“. Mit diesem Resultat langjähriger Forschungsarbeiten spricht Jo Müller nicht nur vielen Grün-Alternativen aus der Seele. Ein schneller Tod der Hütte könnte demzufolge Umweltbelastungen mindern und für Bremen „den Weg in eine moderne Dienstleistungsmetropole“ eröffnen. Doch ist es wirklich nur die Dreiheiligkeit von IG Metall, ÖTV und SPD, für die - so das auflebende Vorurteil - Arbeitsplätze mehr als Umweltschutz zählen und die den Weg in Dienstleistungsgesellschaft verpennen? Sind die ökonomischen und ökologischen Probleme nicht doch viel differenzierter?
Gewiß, die Klöckner-Hütte wie die Stahlindustrie generell tragen massiv zur Umweltbelastung bei, der Energieverbrauch, die Wasserbelastung und Abfallprobleme dieses Produktionsprozesses sind immens. Und bei aller Solidarität darf ja nicht verkleistert werden, daß das Management von Klöckner keineswegs in der Vergangenheit Vorreiter einer ökologischen Modernisierung der Stahlproduktion war.
Fortsetzung s.re.
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