■ Jugendprotest '93: Kampf für Kneipen-Öffnungszeiten
Madrid (taz) – Hoch her ging es am vergangenen Wochenende in der sonst so ruhigen spanischen Hafenstadt Alicante: Samstag und Sonntag nacht zwischen drei und sechs Uhr lieferten sich Hunderte Jugendliche Straßenschlachten mit der Polizei, warfen Stöcke, Flaschen und Gläser auf das Rathaus und die es beschützenden Polizisten, zerstörten Ampeln und unterbrachen den Verkehr. Die Polizei antwortete mit Gummikugeln und Knüppeln. Neun verletzte Polizisten und sechs festgenommene Demonstranten waren das Resultat der Auseinandersetzungen.
Grund für die nächtlichen Jugendproteste ist die Anweisung der Landesregierung an die vor allem im alten Stadtzentrum angesiedelten Kneipen und Diskos, nachts um drei zu schließen und damit dem Nachtleben ein abruptes Ende zu bereiten. Auch in der nahe Madrid gelegenen Kleinstadt Guadalajara warfen Jugendliche am Samstag aus demselben Grund Flaschen auf Polizisten und zündeten Papierkörbe an.
Im vergangenen Jahr hatte derselbe Anlaß die Jugendlichen der Kleinstadt Caceres auf die Straße getrieben, zuvor waren in einem Kneipenviertel in Madrid Flaschen und Steine geflogen und Polizeiknüppel geschwungen worden.
Das Freizeitvergnügen der meisten spanischen Jugendlichen besteht darin, nachts in Gruppen vor Kneipen und Diskos zu stehen und sich, Flaschen in der Hand, mit lauter Stimme zu unterhalten oder gemeinschaftlich zu singen. Vor allem im Sommer ziehen sich diese Vergnügen gerne bis ins Morgengrauen.
Da die Kneipen, vor denen sich Tausende von Jugendlichen einfinden, häufig in Wohnvierteln angesiedelt sind, stört die jugendliche Sangesfreude den Schlaf der Anwohner. Die Klagen der Bürger und das behördliche Ordnungsbedürfnis führen die Stadtverwaltungen zunehmend zu dem Entschluß, die Öffnungszeiten der Kneipen einzuschränken – mit den sichtbaren Protesten der Heranwachsenden. Antje Bauer
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