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Wer weiß, welcher Schläger ein Polizist ist?

■ Frank Fennel wurde zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt / Richterschelte für die Methoden der "16E"-Schicht

wurde zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt / Richterschelte für die Methoden der »16E«-Schicht

Das Amtsgericht Hamburg hat gestern Frank Fennel wegen „gefährlicher Körperverletzung“ zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Der 25jährige hatte in der Nacht zum 27. Juli 1991 auf dem Schulterblatt dem Zivilfahnder Markus Priebe eine Flasche an den Kopf geworfen, da er dachte, Priebe und seine maskierten Kollegen der „16E“-Schicht seien Zuhälter und wollten seine Frau entführen. Fennel war danach von Polizisten der Lerchenwache schwer mißhandelt worden.

Amtsrichter Hans-Dieter Nesemann stützt nach eigenen Angaben sein Urteil nur auf die Aussage des Angeklagten. Danach habe Fennel beobachtet, daß seine Frau weggeführt wurde. Das Gericht folgte nicht den Angaben der „16E“-Beamten, wonach Fennel mit „voller Wucht“ dem „16E“-Fahnder die Flasche auf den Kopf geschlagen habe. Vielmehr habe Priebe die Flasche aus einiger Entfernung getroffen, bevor sie auf dem Boden zerplatzte.

In dem entscheidenden Punkt folgte Nesemann Fennel aber nicht. Fennel beteuert, er habe die Maskierten für Kiezschläger gehalten. Der Richter dagegen: „Der Angeklagte wußte, daß es sich um Polizisten handelte.“ Auch könne sich Fennel nicht auf sein „Notwehrrecht“ oder auf eine „Nothilfe“-Situation berufen. Voraussetzung dafür wäre, daß Fennels Frau einen „Verteidigungswillen“ gehabt habe. Sie habe sich aber ihrer Festnahme nicht widersetzt, nicht einmal um „Hilfe gerufen“.

Fennels Verteidigerin Ute Brandt hatte zuvor auf Freispruch plädiert, da Fennel in „putativer Notwehr“ gehandelt habe. „Welches Motiv soll mein Mandant gehabt haben, einem Polizisten eine Flasche an den Kopf zu werfen, wohl wissend, anschließend verhaftet zu werden? Das macht doch keinen Sinn!“ Wenn Fennel Polizisten vor der Flora hätte angreifen wollen, hätte er dies aus sicherer Distanz tun können. Fennel habe nur die Entführung seiner Frau zu verhindern versucht.

Scharf ging Nesemann allerdings mit den „16E“-Polizisten ins Gericht: „In einem Rechtsstaat darf es nicht vorkommen, daß ein Festgenommener nach der Festnahme die Wache erheblich verletzt verläßt.“ Der Richter bedauerte, daß die Verfahren gegen die Polizisten von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden sind. Die Verteidigung wird gegen das Urteil Berufung einlegen.

Kai von Appen

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