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Stirbt das Werk, stirbt auch die Stadt

■ Ohne Eko bricht Eisenhüttenstadts Wirtschaft zusammen

Berlin (taz) – Während der Hoesch-Betriebsratsvorsitzende Werner Naß verzweifelt tobt: „Wir saufen ab hier im Revier!“ und die Ruhr-Stahlwerker mit Kerzen auf die Autobahn gehen, kommentiert der Eisenhüttenstädter Bürgermeister Rainer Werner (SPD) die Lage am östlichsten deutschen Stahlstandort mit Düsternis: „Wenn hier das Licht ausgeht, können wir für lange Zeit Gute Nacht sagen.“ Denn in Eisenhüttenstadt „leben alle vom Werk“. Die EisenhüttenstädterInnen zeigten sich bis zur Demonstration letzte Woche wie gelähmt. Dabei sind die einst 12.000 Eko-Beschäftigten auf 5.100 geschrumpft, von denen wiederum nur noch 3.500 in der Stahlerzeugung tätig sind und im letzten Jahr rund 100 Millionen Mark Verlust einfuhren.

Nach dreijährigem Gezerre zwischen Stillegung, Weiterwursteln und gescheiterten Privatisierungsversuchen haben Geschäftsführung und Betriebsrat sich auf ein Konzept für ein modernes „Ministahlwerk“ geeinigt, über das der Aufsichtsrat am 1.März entscheidet. Danach soll eine sogenannte Dünnbrammen-Gießwalzanlage mit vorgeschaltetem Elektrostahlwerk aus Schrott 800.000 bis eine Million Tonnen Stahl jährlich erzeugen. Die Warmwalzanlage und die Öfen müßten neu gebaut werden, um das bereits vorhandene, sanierungsbedürftige Kaltwalzwerk auszulasten; Gesamtkosten: 1,1 Milliarden Mark. Der Erhalt des Standorts ist eine politische Entscheidung, zu der sich die Treuhand nach dem fehlgeschlagenen Verkauf von Eko an Krupp durchrang und an der sie – noch – festhält. 2.500 Menschen könnten im Stahlwerk Arbeit finden. Eisenhüttenstadt hofft auf 5.000 Folge- Arbeitsplätze, ohne die die Region an der Oder verloren wäre. Noch halten sich auswärtige Investoren wegen der unsicheren Zukunft des Stahlwerks zurück, und die neugegründeten Betriebe leben zur Hälfte von Eko-Aufträgen.

Die Stahlkrise droht nun alle mühsam errungenen Perspektiven zunichte zu machen. Zum einen muß die EG der Staatsinvestition von 1,1 Milliarden zustimmen. Zum anderen lassen die Stahlbarone aus dem Westen keine Gelegenheit aus, den Standort Eisenhüttenstadt als „überflüssig wie einen Kropf“ (Thyssen-Chef Heinz Kriwet) zu verteufeln. Nicht zuletzt weil Eko mit niedrigen Preisen gerade Thyssen im letzten Jahr bei Aufträgen für Autobleche zuvorkommen konnte. Vom Präsidenten der in Düsseldorf residierenden Wirtschaftsvereinigung Stahl und CDU-Bundestagsabgeordneten Ruprecht Vondran kam der Vorschlag, Stähle aus dem Revier im Eko-Kaltwalzwerk bearbeiten zu lassen. So könnten 1.200 Arbeitsplätze erhalten werden. Die Transportkosten will Vondran – jenseits aller ökologischen Vernunft – staatlich subventionieren lassen. Eko-Arbeitsdirektor Hans- Peter Neumann kommentierte den schlecht getarnten Stillegungsvorschlag vom Rhein gegenüber der taz mit den Worten, er habe „kein Vertrauen, daß die westdeutsche Stahlindustrie derzeit ausgerechnet in Eisenhüttenstadt Arbeitsplätze schaffen“ wolle.

Einig sind sich die StahlwerkerInnen im Osten, daß die Überkapazitäten „an Rhein und Ruhr abgebaut werden müssen“, so Neumann und nicht im „Ministahlwerk“ an der Oder. „Wenn wir hier zumachen, rettet das keinen einzigen Arbeitsplatz im Westen.“ Den EisenhüttenstädterInnen am östlichen Rand Deutschlands aber bliebe ohne Eko nur die Alternative, massenhaft abzuwandern. Was „die Jugend“, wie Bürgermeister Werner weiß, „längst tut“. Dann „hält das hier kein Mensch mehr aus“. bm

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