: Streit um Namen für Maschinenfabrik
■ „Berliner Werkzeugmaschinenfabrik“ trägt wieder ihren alten Namen „Hasse und Wrede“/ PDS-Stadtrat sieht Skandal
Marzahn. Dr. Eberhard Jahn, Geschäftsführer der Maschinenfirma „Knorr Bremse AG“, fühlt sich ungenügend gewürdigt in diesen Tagen. Vor einem Jahr hat sein Unternehmen von der Treuhand die „Berliner Werkzeugmaschinenfabrik“ (BWF) gekauft, einen alten DDR-Betrieb draußen in Marzahn. Die darbende Wirtschaft im Osten Berlins habe man damit beflügeln wollen, sagt Jahn; zugunsten des Engagements in Marzahn habe die Knorr-Bremse sogar auf Erweiterungen im Hauptsitz München und anderswo in Europa verzichtet.
Bei der gestrigen Eröffnungsfeier hob er im Beisein des Regierenden Bürgermeisters die positiven Aspekte der Fimengründung in Marzahn hervor und geißelte Kritiker: „Daß einige den guten Eindruck dieser absolut positiven Entwicklung trüben wollen, kann ich nicht verstehen.“ Den guten Eindruck trübt derzeit der Marzahner Sozialstadtrat Harald Buttler (PDS). Als die neuen Besitzer bei der Restaurierung das BWF- Firmenschild abmontierten, kam darunter der alte Firmenname zum Vorschein, welcher bis 1945 gültig gewesen war: „Hasse und Wrede“. Seither prangt der Name auf der Fassade, was der gelernte Wirtschaftshistoriker Buttler für schlichtweg skandalös hält. Schließlich habe Hasse und Wrede in jener Marzahner Halle nach 1942 Rüstungsgüter für die Nazis produzieren lassen, von Häftlingen aus zwei Gefangenenlagern. Dem NS-Reichskanzler-Konzern habe der „nationalsozialistische Vorzeigebetrieb“ angehört, „ein treuer Diener des Dritten Reiches“ sei er gewesen. Nachzulesen sei das alles im Werksarchiv.
Den unbedarften Umgang mit nationalsozialistischen Hinterlassenschaften hält Buttler für zeittypisch: „Die Verharmlosung von NS-Vergangenheit entspricht doch dem aktuellen Trend.“ Gerade hat er in einem Leserbrief im Neuen Deutschland die Frage gestellt, „ob die Gewalt auf der Straße mit ihren Auslegern nunmehr auch die Betriebe erreichen“ soll. Gleich nach dem Mauerfall sei der Umgang mit Namen noch von mehr Geschichtsbewußtsein geprägt gewesen, sagt Buttler. Er ist ein Fachmann in solchen Fragen, schließlich saß er jenem Ausschuß der Bezirksverordnentenversammlung Marzahn vor, der im Jahr 1990 für die Umbenennung von Straßen und Plätzen verantwortlich war.
Die Knorr Bremse AG kann mit den Vorwürfen des Bedenkenträgers nicht viel anfangen. Petra Dietrich, Assistentin des Vorstandsvorsitzenden, war „völlig perplex“, als sie im Münchner Hauptsitz des Unternehmens von der Diskussion in Berlin erfuhr. Eine Recherche im hauseigenen Archiv habe nichts Verfängliches zutage gefördert; „daß Hasse und Wrede zum Reichskanzler-Konzern gehörte, ist unserer Ansicht nach Quatsch.“ Man könne, meint Frau Dietrich, so ein Problem auch dramatisieren. Alle Maschinenfabriken seien doch „irgendwie in der Rüstungsindustrie tätig gewesen“, daraus heute noch Vorwürfe abzuleiten, sei lächerlich.
Dr. Jahn findet das auch. 1897 sei Hasse und Wrede gegründet worden, ein Werk in Westberlin heiße bis zum heutigen Tag so und keiner störe sich daran: „Warum also plötzlich diese unsinnige Diskussion?“ Natürlich seien in Marzahn Waffen hergestellt worden, „aber das mußten ja alle machen, Siemens, Krupp und AEG“. Den inkriminierten Namenszug durch das Knorr-Bremse-Logo zu ersetzen, sieht Jahn keine Veranlassung. Auch eine Eisenplatte drüberhängen, wie Buttler fordert, will er nicht.
Im übrigen werde die Öffentlichkeit mit „Hasse und Wrede“ vermutlich auch in Zukunft leben müssen: das Gebäude steht unter Denkmalschutz – und der gilt auch für Firmennamen an der Fassade. Holger Gertz
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