Auf dem Papier steht es schon, das neue Regierungsviertel. Die Gewinner des Wettbewerbs für die zukünftigen Regierungsbauten und den Umbau des Reichstages stehen fest. Die Planung im Spreebogen soll Axel Schultes übernehmen. Den Umbau des Reichtages macht ein internationales Trio. Von Rolf Lautenschläger

Wo regiert werden soll

Mit der Entscheidung des „Wettbewerbs Spreebogen“ für das neue Parlaments- und Regierungsviertel sowie dem Ergebnis zum „Realisierungswettbewerb Umbau des Reichstags“ nimmt die Hauptstadt Berlin zumindest auf dem Reißbrett neue Konturen an. Die Baumassen für die Unterbringung des Plenarbereichs, des Bundesrates und des Kanzleramts auf dem 62 Hektar großen Gelände sollen sich nach den Plänen des Wettbewerbsgewinners, des Berliner Architekten Axel Schultes, als symbolische Ost-West-Achse baulich verfestigen. Der Ost-West- Riegel nördlich des Reichstags wird im Osten das Haus des Presseclubs, der Fraktionen und Abgeordneten, ein Forum mit Zugang zur U- und S-Bahn sowie im Westen das Kanzleramt aufnehmen.

Gegenüber dem Reichstagsgebäude und dem erweiterten Platz der Republik soll ein halbkreisförmiger getreppter Baukörper für den Bundesrat entstehen – übrigens ein Zitat des „Republikanischen Forums“ von Hugo Häring aus dem Jahre 1929. Die Bauten bilden jeweils hufeisenförmige abgeschottete Quader, die nur wenig über die Berliner Traufhöhe von 22 Metern hinausragen. Nördlich des Spreebogens zieht sich ein langes Häuserband zur Unterbringung der Abgeordneten.

Schultes schlägt in seinem Konzept auch eine Folge öffentlicher Räume und Plätze vor. So soll der Tiergarten über den neuen Platz der Republik bis zum Spreebogen verlängert werden. Zugleich werden die Grünbereiche wieder im Kanzlergarten aufgenommen. Der „städtische Kanzlerpark“ (Schultes) wird aber ebensowenig zu realisieren sein wie die Öffnung der Spreewege für die Bevölkerung. Sicherheitsinteressen schließen dies aus. Im Unterschied zum zweiten Sieger, Miroslav Volf (Saarbrücken), und dem dritten Sieger Gartemann u.a. aus Bern, die beide das Gelände heterogen strukturieren und mit Baukörpern „Akzente“ schaffen, hält der Schultes-Entwurf für den Architektenwettbewerb alle Möglichkeiten offen, die dem Traufhöhen- „Bouletten-Einerlei“ Abwechslung bescheren könnten.

Zweifellos werden mit der gestern getroffenen Entscheidung zum Umbau des Reichstagsgebäudes zum Plenarsaal des Bundestages und zur städtebaulichen Neuordnung des Spreebogens nicht alle Fragen in bezug auf Zeitpunkt und Objekt der Realisierung beantwortet. Im Gegenteil. Zwar soll das endgültige Gesicht des neuen Regierungsviertels noch vor der „diesjährigen Sommerpause festgelegt werden, damit Architektenwettbewerbe ausgelobt werden können“, sagte Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth bei der Vorstellung der Wettbewerbsergebnisse. Allein die Planung steht in Konflikt mit der Jury-Entscheidung zum Umbau des Reichstagsgebäudes. Die Jury kürte gleich drei Preisträger: Die Entwürfe der mit je 120.000 DM prämierten Sieger, Norman Foster (London), Santiago Calatrava (Zürich) und Pi de Bruijin (Amsterdam) werden kaum aufeinander abzustimmen sein. Sie verkörpern, nach Aussage des Jury-Vorsitzenden Karl-Joseph Schattner, „sehr unterschiedliche, ja gegensätzliche Lösungen für den Reichstagsumbau“.

So versucht der Architekt Norman Foster die Monumentalität des Reichstags durch eine langsam ansteigende Rampe vom Platz der Republik bis zum Eingang des Gebäudes sowie ein rund 50 Meter hohes Glasdach zu überwinden. Das Dach stützen 25 lange Stahlsäulen, die mit der zeltartigen Dachkonstruktion dem Ensemble die „Idee des Bewahrens“ vermitteln. In das Innenleben des Reichtags greift Foster massiv ein. Eine ebenerdige Runde soll den Parlamentariern Raum geben, die hohen Tribünen sind für die Besucher des Reichstags reserviert. Im Unterschied zu Foster schlägt Santiago Calatrava vor, das Reichstagsgebäude durch großzügige Wandelhallen und eine enorme Glaskuppel in riesige luftige Gewölbe und Stahlhallen zu verwandeln. Pi de Bruijin hingegen tastet den alten Wallotbau am wenigsten an und beläßt ihn als Mahnmal der Vergangenheit. Lediglich die Lichthöfe sollen Platz für Büroräume schaffen. De Bruijin lagert den Plenarsaal aus dem Gebäude aus und stellt ihn auf ein vorgelagertes Sockelgeschoß. Die runde Schüssel bildet gemeinsam mit dem Reichstag, dem nördlichen Präsidialbau eine neue bauliche Einheit, die Selbständigkeit vom alten Denkmal symbolisiert.

In den „nächsten Schritten sollen die Ergebnisse beider Wettbewerbe in Übereinstimmung gebracht werden“, sagte Bundesbauministerin Irmgard Schwaetzer. Der Bundestag müsse sich für eine Lösung entscheiden. Angesichts der differenzierten Vorlieben der 670 Bauherren, nämlich aller Bundestagsabgeordneten, kann man sich vorstellen, daß die „wichtigste Entscheidung für Berlin“, so Eberhard Diepgen, noch lange dauern kann. Die 23 Preisrichter der Wettbewerbe mit über 900 eingereichten Arbeiten gaben schon mal eine näherliegende Entscheidung bekannt: Sie plädierten für die Verhüllung des Reichstags durch den Verpackungskünstler Christo.