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Etwas Brot für hungrige Bosnier

■ Serbische Truppen lassen Hilfskonvoi passieren/ Bosniens Regierung stellt Kampfhandlungen ein

Berlin (taz) – Die seit zehn Tagen unterbrochene Versorgung der notleidenden Menschen in Bosnien-Herzegowina ist am Sonntag teilweise wiederaufgenommen worden. Zuvor hatte der bosnische Präsident Izetbegović die einseitige Einstellung aller Kampfhandlungen durch seine Regierungstruppen verkündet und die Behörden der Hauptstadt Sarajevo aufgefordert, die Verteilung der in der Stadt lagernden über 2.500 Tonnen Hilfsgüter durch das UNHCR wieder zuzulassen. Nach einem entsprechenden Befehl von Serbenführer Radovan Karadžić ließen serbische Truppen zumindest einen der bislang in Ostbosnien gestoppten Hilfskonvois bis in die Stadt Zepa durch. Dennoch erklärten sich weder Izetbegović noch Karadžić bislang zur Teilnahme an den New Yorker Bosnien-Verhandlungen bereit, die heute wieder aufgenommen werden sollten.

Präsident Clinton erwägt inzwischen den Abwurf von Hilfsgütern über den eingeschlossenen Regionen Bosnien-Herzegowinas durch die US-Luftwaffe. Seine Sicherheitsberater haben ihm empfohlen, daß amerikanische Transportmaschinen, möglicherweise unter Geleitschutz von Kampfflugzeugen, Hilfsgüter aus großer Höhe und außerhalb der Reichweite serbischer Abwehrgeschütze abwerfen.

Die einseitige Waffenruhe sowie seine Anordnung, die Hilfsgüterverteilung wieder zuzulassen, hatte Präsident Izetbegović am Samstag überraschend als einen „Beitrag zum Friedensprozeß“ verkündet. Den Regierungstruppen sei der Gebrauch ihrer Waffen nur erlaubt, wenn sie angegriffen würden. Beobachter sehen verschiedene Gründe für den Schritt der bosnischen Regierung. Zum einen war sie nach der Unterbrechung fast aller Hilfsoperationen in Bosnien-Herzegowina durch UNO-Flüchtlingshochkommissarin Sadako Ogata am letzten Mittwoch zunehmend unter Druck der öffentlichen Meinung sowohl in Sarajevo wie international geraten. Zum zweiten erlitten die Regierungstruppen in den letzten Tagen erhebliche Rückschläge bei Kämpfen mit serbischen Verbänden in Ostbosnien. Während die Serben nach wie vor aus vollen Vorräten schöpfen, geht den Regierungstruppen zumindest in Sarajevo offensichtlich allmählich die Munition aus. Ein Indiz dafür sehen Beobachter darin, daß die Regierungstruppen auf rund 1.000 Artilleriegeschosse aus serbischen Stellungen in den letzten Tagen mit lediglich 15 Granaten reagierten. Nach Verkündung der einseitigen Waffenpause sei die „Intensität der Kämpfe“ leicht zurückgegangen, hieß es im bosnischen Rundfunk.

Ein von UNPROFOR-Truppen begleiteter UNHCR-Konvoi aus 10 LKWs mit 70 Tonnen Nahrungsmitteln und Medikamenten, der seit Mittwoch vorletzter Woche von serbischen Straßensperren aufgehalten worden war, konnte nach dem Befehl Karadžićs am Sonntag nachmittag in die belagerte muslimische Enklave Zepa gelangen. Nach Aufhebung der serbischen Blockade war der Konvoi durch hohen Schnee, schwere Straßenschäden sowie serbische Minenfelder aufgehalten worden. In das ebenfalls belagerte Goražde, ursprünglich Ziel des UNHCR-Konvois, gelangten zunächst keine Hilfsgüter. azu Seiten 4 und 8, Kommentar Seite 10

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