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Die Rekonstruktion des Grauens

■ "Diana" - ihre wahre Geschichte"

Achten Sie auf die Corgi-Hündchen. Sie wirken so echt, daß sie kaum von den königlichen Originalhunden zu unterscheiden sind. Prinz Charles, der von David Threlfall gespielt wird, ist auch nicht schlecht, obwohl er an den Corgi-Standard nicht heranreicht. Er trägt aber zumindest Fledermausohren und spricht, als ob er einen Reißverschluß im Mund hat, obwohl er die Lippen völlig normal bewegt. Das ist nicht einfach, Threlfall hat vermutlich Monate daran gefeilt. Es ist zu hoffen, daß der deutsche Synchronsprecher ebenso perfekt nuscheln kann, denn das ist einer der Höhepunkte des Films. Den Rest können Sie getrost vergessen.

Dianas „Wahre Geschichte“ ist bekannt. Sie basiert auf Andrew Mortons gleichnamigem Buch, von dem weltweit 4,5 Millionen Exemplare über die Ladentische gegangen sind. Der zweiteilige Fernsehfilm beginnt mit der Scheidung von Dianas Eltern. Das ist ein Schlüsselerlebnis, das Sie sich gut merken müssen, denn es erklärt Dianas spätere Bulimie. „Hinter Dianas Lächeln kam die Unzufriedenheit durch ihre Magersucht zum Ausdruck“, erklärt die Pressemappe von Sat.1 hilfreich das Geschehen auf dem Bildschirm. „Die eigenen Bedürfnisse werden als Gier empfunden, schuldbewußt reagiert der Körper mit gewalttätiger Läuterung durch Erbrechen. Die Wurzeln liegen meist in einem gestörten Familienleben in der Kindheit.“ Da nützt es auch nichts, wenn der Vater beruhigend auf die kleine Diana einredet: „Mach dir keine Sorgen, Darling. Alles wird gut.“

Der Fernsehfilm kann damit nicht gemeint sein, denn der wird mit jeder neuen Szene unerträglicher. Mit zwölf sieht Diana Charles zum ersten Mal im Fernsehen. „Er hat komische Ohren“, bemerkt das aufgeweckte Kind. Ihre Berufspläne stehen auch schon fest: Sie will Ballett-Tänzerin oder Prinzessin werden. Ach, wäre sie doch Ballett-Tänzerin geworden – dann wäre uns dieser Film erspart geblieben. Die Handlung schleppt sich mühsam dahin. Immerhin wechselt Diana, die von Serena Scott Thomas gespielt wird, in den vier Fernsehstunden 102mal das Kostüm, und Charles trägt 60 verschiedene Maßanzüge. „Es zählt, was auf der Leinwand zu sehen ist, nicht, was es kostet“, sagt Produzent Martin Poll.

Auf der gläsernen Leinwand ist jedoch nicht viel zu sehen. Charles ist entweder beim Angeln oder auf der Jagd, bei beidem jedoch völlig erfolglos. Der Thronfolger ist eben ein Trottel, suggeriert der Film. Er tanzt wie ein Waschbär und hat während der gesamten vier Stunden unerklärliche Gesichtszuckungen, die sich schließlich auch auf die Zuschauer übertragen. Einmal läßt er sich sogar zu einer Gefühlsregung hinreißen: Als er die Nachricht erhält, daß sein Lieblingsonkel Lord Mountbatten in Irland von der IRA ermordet worden ist, vergießt Charles eine Träne und nuschelt „Bastarde“, ist aber sofort wieder gefaßt.

Neben den Corgis spielen auch andere Vierbeiner eine wichtige Rolle: Pferde. „Sie sind meine Lieblingstiere“, verkündet Charles in der romantischsten Szene des Films. „Sie besitzen Stärke und Schönheit. Das ist eine unwiderstehliche Kombination – sowohl bei Pferden als auch bei Frauen.“ Diana, die ihren Prinzen bis zur Hochzeit mit „Sir“ anredet, seufzt vor Freude. Doch kaum sind die beiden verlobt, verwandelt sich Charles vom gutmütigen Trottel zum hinterhältigen Idioten. Das liegt jedoch in der Familie. Sämtliche Windsors scheinen sich hauptsächlich mit bösartigem Ränkespiel zu beschäftigen. Prinzessin Anne bezeichnet ihre Schwägerin in spe ständig als „alberne Ziege“, während Prinz Philip den Filius zur Hochzeit drängt: „Wie lange dauert es denn, bis man eine protestantische Jungfrau findet?“

Der Film ist aber nicht nur langweilig, sondern streckenweise auch verwirrend, weil sich die Darstellerinnen irgendwie ähnlich sehen – nur ihren Originalen nicht. Während man in den USA auch vor plastischer Chirurgie nicht zurückschreckt, um die SchauspielerInnen auf ihre Rollen zu trimmen, legen britische Produktionen auf die Ähnlichkeit keinen Wert. Warum man Diana aber eine Perücke verpaßt hat, die aussieht, als sei Serena Scott Thomas damit durch eine Autowaschanlage gefahren, bleibt ein Geheimnis.

Kein Geheimnis bleibt dagegen Camilla Parker-Bowles' mieser Charakter. Jeder Satz aus ihrem Mund ist ein Schlag unter die Gürtellinie. „Charles und ich reiten immer zusammen“, erklärt sie grinsend ihrer Nebenbuhlerin. Die hat jedoch ganz andere Sorgen: „Als Prinzessin hat man das Problem, daß man nie einen Ort findet, wo man ungestört pinkeln kann.“ In der Schlußszene des ersten Teils wirft sie sich deshalb – möglicherweise aber auch aus anderen Gründen – die Treppe hinunter. Die ZuschauerInnen stehen zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich ebenfalls kurz davor. Ralf Sotscheck

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