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Indizien, aber keine Beweise

■ Alles spricht für einen Bombenanschlag im New Yorker World Trade Center / Fünf Tote und tausend Verletzte / USA fürchten weitere Anschläge nach Jahren der Ruhe

New York/Berlin (AP/AFP/ wps/taz) – Alles deutet darauf hin, daß die Explosion im New Yorker World Trade Center am Freitag auf einen Anschlag zurückzuführen ist, doch einen Beweis dafür gibt es bislang nicht. Sprengstoffexperten konnten noch nicht an der Explosionsstelle ermitteln. Bei der schweren Explosion wurden fünf Menschen getötet und mehr als tausend verletzt. Zwei Personen sind noch vermißt. In den beiden 410 Meter hohen Wolkenkratzern des Bürogebäudes hielten sich etwa 100.000 Menschen auf.

Am Tatort, einer Tiefgarage des Gebäudes, wurden Spuren von Nitrat gefunden. Polizeisprecher Raymond Kelly sagte, zusammen mit dem riesigen Krater von über 30 Metern Durchmesser und der großen Hitzeentwicklung verdichte sich die Vermutung, daß es sich bei der Explosion um eine Bombe gehandelt habe. Der Leiter des FBI, William Sessions, lehnte es jedoch ab, von der Explosion als einem „terroristischen Akt“ zu sprechen. Es gebe noch keinen Beweis, der diese Schlußfolgerung erlaube.

Die Polizei registrierte 19 Anrufe, in denen verschiedenste Gruppen erklärten, für den Anschlag verantwortlich zu sein. 15 Minuten vor der Explosion habe sich eine Gruppe zu der Tat bekannt, die sich als militante Kroaten ausgegeben habe. Der „Außenminister“ der selbsternannten „Serbischen Republik“ in Bosnien, Todor Dutina, sagte, er rechne mit einer Welle von Terrorakten in den USA durch Menschen, die unzufrieden mit den New Yorker Jugoslawien-Verhandlungen seien. US-Experten äußerten sich jedoch skeptisch über einen Zusammenhang mit dem Jugoslawien-Konflikt, da keine der sich bekämpfenden Fraktionen bislang Autobomben benutzt habe.

Die Explosion riß einen 65 Meter breiten und 35 Meter tiefen Krater, der sich über sechs Geschosse der Tiefgarage erstreckt. Auch die Decke der U-Bahn-Station darunter brach ein. Der Explosion folgte ein Brand, der nach zwei Stunden gelöscht wurde. Dichte Rauchschwaden drangen in die beiden Zwillingstürme des Hochhauses ein und behinderten die Suche nach Verschütteten. Sowohl die Hauptstromleitung als auch die Notversorgung und das Telefonnetz fielen völlig aus. Tausende von Menschen liefen über völlig dunkle und ventilationslose Treppenhäuser zum Teil 105 Stockwerke nach unten. Andere saßen stundenlang in Fahrstühlen fest. Erst nach mehr als zwölf Stunden gelang es Polizei und Feuerwehr, die beiden Türme vollständig zu räumen.

Nach der Explosion im World Trade Center wurde wegen einer Bombendrohung auch das Empire State Building vorübergehend evakuiert. Die Sicherheitsmaßnahmen auf Flughäfen in den USA und im Regierungsviertel in Washington wurden verschärft, Warnungen an Einrichtungen außerhalb der USA gesandt.

Eine Sondereinheit der Hafenbehörden von New York und New Jersey hatte bereits vor Jahren Maßnahmen gefordert, um das World Trade Center vor der Bedrohung durch mögliche Autobomben zu schützen. Von den vorgeschlagenen Schritten wurde jedoch fast keiner umgesetzt.

Falls sich der Verdacht bestätigt, daß eine Bombe gezündet wurde, wäre das der erste derartige Anschlag in den USA seit Jahrzehnten. Der Anschlag könnte Vorbote einer neuen Ära sein, fürchten Experten. Größer als der konkrete Schaden sei die Bedeutung der Explosion als Präzedenzfall, denn an Terrorakte sind New York und die anderen amerikanischen Städte nicht gewöhnt. Attentate gegen amerikanische Einrichtungen oder Flugzeuge hatten bislang stets im Ausland stattgefunden. nig

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