: „Beileid – wir haben die beiden ermordet“
■ In Türkisch-Kurdistan wurden die beiden entführten Menschenrechtler Can und Kaya tot aufgefunden/ Angehörige vermuten Attentat der Konterguerilla
Berlin (taz) – „Ihr Mandant ist verletzt festgenommen worden“, hatte der Anrufer zu dem jungen Rechtsanwalt Metin Can in dem türkisch-kurdischen Städtchen Elazig gesagt. Can setzte sich sofort ins Auto, holte seinen Freund, den Arzt Hasan Kaya, ab und fuhr los. Es war Sonntag, der 21. Februar. Sechs Tage später waren die beiden engagierten Menschenrechtler tot. Ihre verstümmelten Leichen wurden am vergangenen Samstag von spielenden Kindern unter einer Brücke bei der 80 Kilometer entfernten Provinzstadt Tunceli gefunden.
Entführung und Mord entsprechen dem bekannten Muster der Attentate der Konterguerilla, der auf dunklen Wegen mit dem türkischen Staat verbundenen Todesschwadrone. Allein im Januar dieses Jahres hat die Konterguerilla nach Informationen des türkischen „Menschenrechtsvereins“, IHD, dem auch Can und Kaya angehörten, 30 Menschen in Türkisch-Kurdistan ermordet. Ihre Opfer sind vor allem kurdische Nationalisten und Menschenrechtler.
Der Rechtsanwalt Can war IHD-Ortsvorsitzender in Elazig. Offensichtlich kannte er die Stimme des Anrufers, der ihn zu dem verhängnisvollen Treffen mit seinem „Mandanten“ rief. Das vermuten Angehörige des Toten. Am Tag nach dem Verschwinden von Can und Kaya fanden sie deren verlassenen Wagen in der Nähe ihres Heimatortes. An jenem 22. Februar bekam die Ehefrau von Metin Can auch den ersten einer ganzen Reihe von bedrohlichen Anrufen. Der Unbekannte am Telefon sagte ihr: „Beileid – wir haben die beiden ermordet.“ Einen Tag später tauchten die Schuhe der beiden Verschwundenen vor dem Rechtsanwaltsbüro von Can auf. Außerdem erhielt Frau Can die telefonische Mitteilung: „Wir haben die beiden in unserer Hand. Der Arzt Kaya wurde entführt, weil er einen verletzten PKKler in Sirnak behandelt hat. Can wird freigelassen– vorausgesetzt, er fährt nicht nach Deutschland.“
Nach Informationen aus linken türkischen Kreisen in der BRD war der Rechtsanwalt Can für den 27. und 28. Februar zu einer Solidaritätsveranstaltung nach Duisburg eingeladen. Dort wollte er zugunsten des inhaftierten peruanischen Guerillachefs Abimael Guzman auftreten. Zusammen mit Can war auch der Assistent des Rechtsanwaltes, Serafettin Özcan, nach Duisburg eingeladen. Beide hatte bereits Ende vergangenen Jahres türkische Pässe und deutsche Visa beantragt. Nach Cans Entführung holte sein Assistent Özcan nur seinen eigenen Paß und sein Visum ab. Beides ging problemlos. Verhindert wurde seine Deutschlandreise erst am Ankaraer Flughafen, wo die türkische Polizei Özcan mit der Begründung zurückhielt, er werde seit 1980 von der Istanbuler Polizei gesucht.
Die Autopsie der Leichen ergab, daß sie erst fünf Tage nach ihrer Entführung ermordet wurden. Kaya hatte man ein Auge ausgeschlagen und den Schädel zertrümmert. Can wies Verletzungen im Gesicht auf, die von Schlägen herrührten. Beide waren mit Kopfschüssen ermordet worden. Ihre Hände waren mit Kupferkabel auf den Rücken gebunden.
Bei einer Protestkundgebung gegen diese neuerlichen Morde, die am Wochenende in Tunceli stattfand, griff die Polizei die Demonstranten an. 14 Menschen wurden festgenommen. Über die Mörder von Can und Kaya weiß die Polizei – wie bei Konterguerilla-Attentaten üblich – „nichts“. Dorothea Hahn
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