: Schöner Wohnen am Ort der Täter
■ Städtebaulicher Wettbewerb zum Gelände der ehemaligen SS-Kaserne Oranienburg entschieden: Entwürfe zwischen Urbanisierung und Trauerarbeit
Berlin. Alle Versuche, die ehemaligen Areale faschistischer Herrschaft und Gewalt umzugestalten, scheinen dazu verdammt, sich voller Befangenheit gegenüber der Vergangenheit dieser Orte zu äußern. Teile der Gedenkstätte Ravensbrück entgingen nur knapp dem Schicksal, zu einem Supermarkt umgewandelt zu werden. Die Anstrengungen, auf dem Trümmerfeld des Prinz-Albrecht- Geländes eine nationale Mahn- und Erinnerungsstätte für die Ermordeten der Nazidiktatur zu schafffen, haben bislang nur zu den unzureichenden Provisorien der „Topographie des Terrors“ gereicht. Jüngstes Beispiel dieser Unzulänglichkeit sind die Ergebnisse des „städtebaulichen Gutachterverfahrens zur Urbanisierung des Areals der früheren SS-Kasernen in Sachsenhausen“ für eine neue Wohnsiedlung mit Geschäften – als Erweiterung der Stadt Oranienburg. Die Entwürfe sind zwar nicht von der Verantwortungslosigkeit und Ignoranz geprägt wie die Planungen für Ravensbrück. Dennoch gleichen die Überlegungen zur Vergangenheitsbewältigung zum Teil hilflosen Versuchen, die sich mit baulichen Stilisierungen und erinnerungssüchtiger Theatralik keiner praktikablen Verantwortung stellen.
Unter dem Motto „Blick zurück und Schritt nach vorn“ hatte die Stadt Oranienburg gemeinsam mit der Landesentwicklungsgesellschaft Brandenburg einen beschränkten Wettbewerb ausgelobt. Das Gelände mit noch existierenden Bauten der SS-Wachmannschaften des KZ-Sachsenhausen und Einrichtungen der NVA sollte sich mit einem neuen Viertel „zur Stadt öffnen für ein lebendiges Quartier, das mit der historischen Bedeutung des Ortes behutsam umgeht“, wie Bürgermeister Wolfgang Arps ankündigte. Auf dem Areal befinden sich derzeit Einrichtungen der Polizei und der Stadtverwaltung.
Indessen: Im Umgang mit der Vorgabe zur städtebaulichen Öffnung tendieren die Entwürfe zwischen den beiden Extremen Isolation und Normalität, die die Last der Geschichte mit Befangenheit interpretieren. Daniel Libeskind, Berlin, (Sonderpreis) entwirft eine Trauerlandschaft in Nachbarschaft zur „Idealstadt des Todes“ (sic!). Er will die SS-Bauten bis auf die Fundamente abreißen und das Gelände unter Wasser setzen für Assoziationen eines versunkenen archäologischen Gebiets. Das Areal erweitert Libeskind mit Bauten und „Kraftlinien“ für ein „optimistisches Konzept“ der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Der Gewinner des Wettbewerbs hingegen, der Wiener Architekt Hermann Czech, plant einen diagonal angelegten, zur Stadt orientierten Stadtteil, der die Distanz betont zur orthogonalen Struktur der SS-Bauten, die wichtige Bestandteil seiner Planung bleiben.
Ein gewisses Schaudern an den Orten faschistischer Gewalt und Verbrechen liegt in den Entwürfen. SS-Baracken, Kasino und KZ- Chef-Villa treten – als ruinöse Wasserleichen oder als urbane Akzente – in eine makabere bauliche und ästhetische Konkurrenz zu den Neubauten. Die Vergangenheit wird zugedeckt und überformt. Am Ort der Täter werden die Reste des Alptraums zu sentimentalen Ruinenfeldern im Wasser oder zu bewohnbaren Einfamilienhaus-Träumen inszeniert. So wird das Gelände in seiner Überwältigung (Libeskind) entweder isoliert bleiben oder zur „keimfreien Normalität werden“, wie Jurymitglied Hoffmann-Axthelm sich ausdrückte. Beides ist nicht im Sinne der Erinnerung. Rolf Lautenschläger
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