: Lawinen begruben ein PKK-Lager
■ Schneemassen durch Angriffe der türkischen Luftwaffe in Bewegung gesetzt / 400 kurdische Kämpfer eingekesselt / Offensive im Vorfeld des Neujahrsfestes / Fünf angebliche Dev-Sol-Mitglieder getötet
Diyarbakir/Istanbul (dpa/taz) – Eine Offensive der türkischen Armee gegen KämpferInnen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) im Vorfeld des kurdischen Neujahrsfestes Newroz hat in der Provinz Bitlis zu einer Tragödie geführt. Wie die Istanbuler Tageszeitung Hürriyet am Samstag berichtete, starben rund 60 militante KurdInnen nach Lawinenabgängen am Freitag im Kizilsu-Tal zwischen den Ortschaften Güroymak und Mutki.
Dem Bericht zufolge waren die Lawinen bei Angriffen der türkischen Luftwaffe mit F-16-Bombern sowie Kampfhubschraubern auf ein PKK-Lager ausgelöst worden. Die in Panik geratenen KurdInnen, von denen die meisten Frauen gewesen seien, hätten versucht, den Bombenangriffen zu entkommen. Dabei seien sie jedoch unter den Schneemassen verschwunden. Hürriyet berichtete weiter, die Toten könnten erst im Frühjahr geborgen werden. Gegenwärtig sei die Suche nach ihnen bei Schneehöhen von mindestens anderthalb Metern unmöglich.
Auch in anderen Regionen Kurdistans setzte die türkische Armee am Wochenende ihre Vorstöße gegen die Guerilla fort. So wurden offiziellen Meldungen zufolge in der Region um den Berg Ararat im Osten des Landes rund 400 PKK- Kämpfer eingekesselt. Die Nachrichtenagentur Anadolu meldete, die am Donnerstag begonnenen Bombenangriffe der türkischen Luftwaffe in der Gegend hielten an.
Unklarheiten bestehen weiterhin über die Zahl der getöteten PKK-Kämpfer. Während Anadolu unter Berufung auf die Sicherheitsbehörden von rund 50 Toten unter den militanten Kurden berichtete, bezifferte der iranische Staatsrundfunk Freitag abend die Verluste der PKK auf rund 150.
Unterdessen wurden bei einer Operation der türkischen Polizei gegen eine konspirative Wohnung der linksextremistischen Gruppe Dev-Sol (Revolutionäre Linke) am späten Samstag abend in Istanbul fünf mutmaßliche Mitglieder der Untergrundorganisation, darunter drei junge Frauen, getötet. Über die näheren Umstände schwiegen sich die Sicherheitsbehörden aus. Sie teilten gestern lediglich mit, ein etwa sechs Monate altes Mädchen sowie ein dreijähriger Junge in der Wohnung hätten die Schießerei unverletzt überlebt. Einer der beiden erschossenen Männer sei der seit seiner Flucht vor drei Jahren aus dem Istanbuler Bayrampasa-Sondergefängnis für politische Gefangene gesuchte Dev-Sol Führungsfunktionär Bedri Yagan.
Die türkischen Behörden warnten am Wochenende erneut vor staatsfeindlichen Demonstrationen anläßlich des kurdischen Neujahrsfestes am 21. März und kündigten an, die Polizei werde hart durchgreifen, falls sich die Feiern zu „illegalen Demonstrationen“ mit Spruchbändern und Fahnen der PKK entwickelten. Die Sicherheitskräfte bereiten sich bereits auf ihre Weise auf Newruz vor: So wurde in Ankara unter Leitung des Generaldirektors der türkischen Polizei, Yilmaz Ergun, ein Operationszentrum eingerichtet. Von hier aus sollen die Einsätze der Sicherheitskräfte koordiniert werden. Im vergangenen Jahr waren während Demonstrationen anläßlich des Newroz-Festes über 40 KurdInnen getötet, mehr als 100 verletzt und Hunderte festgenommen worden.
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