: „... so ist keine Ausreisegenehmigung zu erteilen“
■ Spanische Kommunistenführer kontrollierten ihre Genossen im sowjetischen Exil
Das Ende des Spanischen Bürgerkriegs durch den Sieg der Franco-Truppen 1939 überraschte mehrere hundert spanische Kommunisten in der Sowjetunion. Weitere zweitausend Führungskader – inklusive Familienangehörige – fanden hier Exil. Einige wenige dieser Emigranten wurden zu Ausbildungen auserwählt – der Rest wurde aufs ganze Land verteilt und mußte arbeiten. Nachdem eine Reihe von ihnen Ausreiseanträge gestellt hatten, wurden sie verhaftet und traten eine lange Reise durch die verschiedenen stalinistischen Lager an, die viele von ihnen nicht überlebten.
Daß an den Lebensbedingungen dieser Kommunisten die eigene Führung nicht unbeteiligt war, wurde durch Briefe deutlich, die bislang in sowjetischen Archiven lagerten und kürzlich von El Pais auszugsweise veröffentlicht wurden. Über die Leitungsfigur der Spanischen Kommunistischen Partei, die als „La Pasionaria“ bekannte Dolores Ibárruri, teilt L.Baranow, Vizevorsitzender der Sektion für Internationale Politik der KPdSU, seinen Vorsitzenden mit: „Dolores sagte, die Ausreisegenehmigung solle nur unter zwei Bedingungen erteilt werden: wenn die Einladung von direkten Verwandten kommt, die in Frankreich, irgendeinem Land Lateinamerikas oder in Ländern mit neuer Demokratie leben, und wenn der Eingeladene über eine positive politische Akte verfügt.“ Wenn der Eingeladene jedoch eine negative politische Akte habe, so sei laut Dolores „keine Ausreisegenehmigung zu erteilen“.
Während Dolores Ibárruri und ihr Genosse Santiago Carrillo sich der Gunst der obersten Sowjetherrscher erfreuen durften, rackerten ihre kommunistischen Weggefährten bis zur Erschöpfung auf volkseigenen Feldern. „Ich war Zeuge, wie der Oberstleutnant der Luftwaffe, Genosse Saluena, zehn Stunden täglich bei der Kanalreinigung arbeitete, und der Journalist Quintana, trotz seines schlechten Gesundheitszustands, vom Morgengrauen bis zum Sonnenuntergang Stroh wendete“, schreibt ein spanischer Genosse 1945.
Auch nachdem die meisten spanischen Kommunisten die Sowjetunion verlassen hatten und in ein europäisches Exil beziehungsweise nach Spanien in den Untergrund gegangen waren, wirkte der lange Arm Stalins fort. Jorge Semprún, ehemaliges ZK-Mitglied der Spanischen KP, der 1963 just wegen seines Antistalinismus aus der Partei ausgeschlossen wurde, berichtet über die internen Verfahren, mit denen Parteigenossen, die das KZ überlebt hatten, überzogen wurden. „Was im Juni 1945 – unter direkter Verantwortung von Carrillo – mit den kommunistischen Führungskadern gemacht wurde, ist die genaue Reproduktion dessen, was zur Zeit die russischen Sondereinheiten mit den Deportierten und den Kriegsgefangenen machen, von denen die Mehrheit aus den deutschen Lagern ins stalinistische Gulag überführt werden“, schreibt Semprún in seiner „Autobiographie des Federico Sánchez“, in der er mit seiner eigenen Parteivergangenheit abrechnet. „Der einzige Unterschied – für die Betroffenen ein bemerkenswerter – ist, daß Carrillo nicht die Macht besitzt, das heißt, daß die Existenz einer bürgerlichen Demokratie Leben und Freiheit der Angeklagten retteten.“
Die Veröffentlichungen von El Pais haben in Spanien keine spürbare Debatte ausgelöst. „La Pasionaria“ ist tot und damit als Mythos erhalten geblieben. Santiago Carrillo ist der Sozialistischen Partei beigetreten. Dies sei nicht mehr ihre Geschichte, versichern kommunistische Parteigänger heute. Antje Bauer
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