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Hallo Sputniks!

■ betr.: "Terror 2000" im Kino Sputnik

betr. „Terror 2000“ im

Kino Sputnik

Nach der Diskussion bei Euch im Wedding möchte ich Euch ein paar Gedanken meinerseits zukommen lassen:

[...] Ihr besteht darauf, selbst entscheiden zu können, welche Filme Ihr zeigt und welche nicht. Das ist richtig so, denn wer sollte es sonst tun. Die ganze Sache hat nur einen Haken: Auch andere Menschen haben ein Recht darauf festzustellen, wo ihre Freiheit so stark beschnitten wird, daß sie das nicht mehr hinnehmen, sondern sich dagegen wehren. Und wenn Ihr ein Kino und Grips im Hirn habt, müßtet Ihr Euch mit dieser Problematik auseinandersetzen. Und damit, daß Filme eben nicht „unschuldig“ und viele Zuschauer leider nicht „mündig“ genug sind, zu entscheiden, von welchen Bildern und in welche Richtung sie sich beeinflussen lassen. Oder wollt Ihr allen Ernstes behaupten, es gäbe keine Propaganda, keine Manipulation?

Auch das Argument, hier würde nur der Bote der schlechten Nachricht zur Verantwortung gezogen, ist nur zur Hälfte richtig. Wer erinnert sich nicht an die Bilder aus Rostock-Lichtenhagen und denkt dabei nicht auch an die mobilisierende Wirkung für die Nazis, die diese Nachrichten sicher hatten? Und da bin ich der Meinung, daß Ihr Euch die Frage gefallen lassen müßt, warum zeigt Ihr diesen Film, was ist an diesem Film so wichtig, daß die „schimmlige Betroffenheit“ (wie Wiglaf Droste sich ausdrückte), daß die direkte Gewalt, die er gegen Frauen propagiert und selbst ist, zu vernachlässigen ist? Darauf hätte ich gerne eine Antwort gehört, denn da hätten wir dann diskutieren können: wo sind Eure Grenzen des nicht Zumutbaren oder nicht mehr Vertretbaren. Daß es diese gibt, hat zumindest eine Frau von Euch erklärt. Auf die Frage, wo diese denn sind, habt Ihr leider nicht geantwortet.

Mit dem Geschrei „Zensur, Zensur“ kommen wir nicht weiter. Ich glaube, daß wir diesen Begriff etwas genauer benutzen müssen. Für mich bedeutet Zensur ein Machtmittel, das dazu benutzt wird, befreiende, aufklärerische Nachrichten, Bücher, Filme etc. zu unterdrücken, mundtot zu machen. Wenn sich Menschen gegen menschenverachtende Propaganda wehren, ist es einfach nur mies, dies als Zensur zu denunzieren. Und auch die „Freiheit der Kunst“ kann doch nur so weit gehen, wie sie die Freiheit und das Leben der Menschen akzeptiert.

Auch das Kommando Filmriss muß sich fragen, ob der Name nicht Programm ist und ob es angemessen ist, einem Angestellten des Sputniks Gas ins Gesicht zu sprühen und ihm den Tod anzudrohen, falls er sie verfolgt.

Nun kann es natürlich sein, daß Euch das alles ganz einfach am Arsch vorbeigeht, Ihr nur Eure Ruhe haben möchtet und einfach Filme zeigt, die Euch gefallen und die auch Euren Lebensunterhalt sichern (was an sich nichts Ehrenrühriges ist). Wenn dem so ist, dann laßt uns aber bitte mit dem Gejammere in Ruhe, die Kinos am Ku'damm seien viel schlimmer und Ihr die armen Unschuldslämmer. Eure Diskussionsabende könnt Ihr Euch dann bitte auch sparen! Konrad Neumann, 1058 Berlin

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