Die Krise erreicht die Bildungsträger

■ Neue Kürzungen der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit beenden den Boom bei den Fortbildungsträgern/ Die „schwarzen Schafe“ der Branche sind nur schwer auszumachen

Berlin. Die Mitarbeiterin der „Gesellschaft für Weiterbildung und Umschulung Star-Team“ in Lichtenberg gibt sich wortkarg. Ob der Geschäftsführer zum Thema schwarze Schafe unter den Bildungsträgern“ zu sprechen sei? „Ich glaube nicht, daß wir daran Interesse haben“, kommt kurz und bündig die telefonische Absage. Daß der Ostberliner Träger in diesen Tagen die Öffentlichkeit scheut, ist nicht weiter verwunderlich. Schließlich hat das „Star- Team“, das sich insbesondere in der EDV-Ausbildung engagiert hatte, jüngst Konkurs angemeldet. Beileibe kein Einzelfall, wie der Berliner Alltag zeigt. Kürzlich mußte erst der Verein Berufliche Bildung aus Kreuzberg seine Pforten schließen – „die hatten zuwenig Teilnehmer“, wie ein Insider, der nicht genannt werden will, anmerkt. Die beiden Beispiele deuten an, daß der Boom für Bildungsträger, die nach der Vereinigung wie Pilze aus dem Boden geschossen waren, dem Ende entgegengeht. In der Branche wird befürchtet, daß in Berlin 90 Prozent der rund 1.000 Anbieter bis zum Jahresende von der Bildfläche verschwunden sein werden. Überleben, so heißt es hinter vorgehaltener Hand, werden nur die Großen und jene Träger, die sich extrem spezialisiert haben und für deren Teilnehmer auf dem Arbeitsmarkt noch Verwendung zu finden ist.

Mit ein Faktor für den Einbruch ist die Weisung der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit (BA) an die Landesarbeitsämter, in diesem Jahr im Bereich Fortbildung und Umschulung die Mittel um 25 Prozent zu senken. Die Kürzung betrifft die Leistungen, die an die Weiterbildungsträger gezahlt werden. Bei der Umsetzung behilflich ist den Arbeitsämtern dabei eine neue Regelung, die ab Januar in Kraft ist. Demnach werden im Rahmen des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) nur noch solche Teilnehmer vollständig finanziert, deren Fortbildung als „notwendig“ erachtet wird und die auf dem Arbeitsmarkt noch eine Vermittlungschance haben. Alle anderen – und das dürfte die Mehrheit sein – fallen unter die Kategorie „zweckmäßige Förderung“ und müssen rund 30 Prozent der Kosten selbst tragen. Die Entscheidung, was notwendig oder zweckmäßig ist, bleibt „eine Sache der Abwägung“, wie der Sprecher des Landesarbeitsamtes, Peter Hielscher, erklärt.

Für Träger, die sich bisher hauptsächlich über das AFG finanzierten, brechen harte Zeiten an. In der Branche grassiert die Unsicherheit. Um es sich mit den Arbeitsämtern nicht zu verscherzen, wollen die meisten nicht namentlich genannt werden. Ein Mitarbeiter eines Bildungsträgers zur taz: „Wer die 30-Prozent-Regelung bekommt, der geht pleite.“ Viele Träger befürchten, daß sie für ihre Kurse nicht mehr genügend Teilnehmer finden, weil diese die Selbstbeteiligung einfach nicht tragen können. Und unter 25 Teilnehmern sei heute ein Kurs nicht mehr rentabel, wie ein Mitarbeiter eines großen Bildungsträgers meint. Hinzu kämen die hohen Selbstbeteiligungskosten: Bei einem Umschulungskurs mit durchschnittlich rund 173 Stunden im Monat entfielen dann 260 Mark auf jeden Umschüler – vor allem alleinerziehende Frauen könnten diese Summe aus eigener Tasche nicht aufbringen. Für die Sprecherin der Senatsverwaltung für Arbeit und Frauen, Bettina Martin, ist die neue Regelung der Bundesanstalt ein Zeichen dafür, wie „wieder einmal die sozial Schwächeren benachteiligt werden“.

Manche Maßnahmen werden schon heute nicht mehr von den Arbeitsämtern unterstützt. Etwa die Ausbildung an computergestützen Maschinen in der Metallindustrie, wie sie bislang beim Berufsfortbildungswerk des DGB betrieben wurde. Weil die Metallindustrie in Berlin Arbeitskräfte abbaut, wurden die Gelder für die Kurse im Bereich „Computer Numeric Control“ (CNC) Ende letzten Jahres gestrichen. CNC-Ausbilder beim DGB-Bildungswerk stehen heute vor leeren Kursen – ihre Zukunft ist ungewiß, Verhandlungen mit dem Betriebsrat über Sozialpläne sind eingeleitet.

Neben finanziellen Schwierigkeiten hat die Branche jedoch auch um ihren Ruf zu kämpfen. Berichte über unseriöse Träger, die AFG-geförderte Weiterbildungsmaßnahmen anbieten, veranlaßte die Bundesanstalt 1991, überregionale Prüfungsgruppen einzurichten. Von 328 Maßnahmen, die im 1. Halbjahr 1992 bundesweit überprüft wurden, wiesen rund ein Drittel mehr als nur „geringfügige Mängel auf“, wie der Präsident des in Berlin und Bonn beheimateten Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), Hermann Schmidt erklärt. Eine Qualitätskontrolle sei „nach wie vor schwierig“, konstatiert auch LAA-Sprecher Hielscher. Seit Januar müssen Anbieter, die sich beim Arbeitsamt bewerben, einem dreimonatigen Prüfverfahren unterziehen. In Berlin gibt es zwei Prüfgruppen, die ihr Augenmerk auf den Weiterbildungsmarkt werfen. Eine laufende Begutachtung jedoch – wie sie das BIBB in Zusammenarbeit mit der Zentralstelle für Fernunterricht in Köln für alle Fernstudiengänge vornimmt – fehlt bisher auf dem Markt der Weiterbildungsträger. In Hamburg und Brandenburg haben sich nun Weiterbildungsträger freiwillig auf gemeinsame Qualitätsstandards geeinigt und verleihen Gütesiegel. Ob das ausreicht, bezweifelt selbst BIBB-Präsident Schmidt: „Es bleibt abzuwarten, ob diese Formen der Selbstkontrolle den Schutz der Teilnehmer auf Dauer sicherstellen können“. Severin Weiland