: Parteibuchwirtschaft bei der Polizei
Berlins Innensenator gerät wegen Polizeiskandals immer mehr unter Druck/ Im Zwielicht vor allem: die kriminellen Verstrickungen und ausländerfeindlichen Übergriffe seiner Ordnungshüter ■ Von Dieter Rulff
Die Bitte, mit der sich dieser Tage Berlins Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) an die Parteien seines Abgeordnetenhauses wandte, war ungewöhnlich. Sie sollten, „anhand der von mir dem Innensausschuß bereits zur Verfügung gestellten Listen über Beförderungen des höheren Polizeivollzugsdienstes ... eine parteipolitische Zuordnung vornehmen“. Die schriftliche Aufforderung zum Polizisten-Outing rief Verwunderung hervor, hatte der Innensenator doch immer betont, daß Personalangelegenheiten vertraulich seien und nur die persönliche Eignung Beförderungskriterium sei.
Parteibuchwirtschaft ist nur ein Vorwurf, dem sich der oberste Berliner Sicherheitspolitiker zur Zeit ausgesetzt sieht. Seine 32.000 Mann und Frau starke Polizeitruppe ist zudem wegen ausländerfeindlicher Aktivitäten und krimineller Umtriebe in Verruf geraten. Die Mitgliedschaft von Kriminellen und Rechtsradikalen in der Freiwilligen Polizeireserve ist noch immer nicht aufgeklärt. Zudem wurden allein in der letzten Woche mehrere Fälle von ausländerfeindlichen Übergriffen, die sich auf Polizeiwachen zutrugen, bekannt. Trotz heftiger Kritik an seiner Sicherheitspolitik überstand Heckelmann letzte Woche im Parlament einen gegen ihn eingebrachten Mißtrauensantrag. Die mitregierenden Sozialdemokraten hielten ihm zähneknirschend die Stange, weil man, so ihr Fraktionschef Ditmar Staffelt, „deshalb nicht die Koalition aufkündigen kann“.
Dabei haben die Sozialdemokraten selbst maßgeblich zur Demontage des Innensenators beigetragen. Für sie war bereits seit November 1991 klar, daß Heckelmann in der Polizei eine „CDU- Beutepolitik“ betreibe. Damals wurde der SPD eine aus einem Papierkorb gefischte Liste mit CDU- Parteigängern in der Polizei zugespielt. Entsprechend dieser Liste wurden und werden seitdem gut ein Dutzend Leitungspositionen bevorzugt an christdemokratische Ordnungshüter vergeben.
Jüngster Streitfall ist der jetzt freigewordene dritte Rang in der Berliner Polizeihierarchie. Heckelmann schlug Mitte Februar in einer internen Koalitionsrunde — streng nach Papierkorbliste — einen CDU-Mann zum neuen Chef der Schutzpolizei vor.
Der sicherheitspolitische Streit zwischen den Berliner Koalitionsparteien hat sich ausgeweitet, seit die SPD die Abschaffung der Freiwilligen Polizeireserve (FPR) fordert. Die 2.400 Mann starke Hiwitruppe, deren prominentestes Mitglied der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen ist, war wegen rechtsradikaler und krimineller Aktivitäten ihrer Mitglieder in Verruf gekommen. Mittlerweile wurde bei mehr als 100 von ihnen erheblich belastendes Material in den Polizeidateien gefunden, weitere 237 müssen noch genauer durchleuchtet werden. 24 Hilfssheriffs haben bereits ihren Stern abgegeben, 400 haben die erforderliche Zustimmung zu ihrer Überprüfung nicht gegeben. Heckelmann will in gut einer Woche die Ergebnisse präsentieren. Doch damit wird sich die SPD nicht zufriedengeben. Sie, wie auch die Oppositionsparteien, wollen einen Untersuchungsausschuß einrichten. Dieser soll auch die Umstände einer Überprüfung aufklären, der die FPR bereits im Jahr 1985 wegen des Verdachts der extremen Rechtslastigkeit unterzogen wurde, und deren Ergebnisse offensichtlich vertuscht wurden. Weder der damalige Polizeipräsident Hübner (SPD) noch dessen damaliger Innensenator Heinrich Lummer (CDU) wollen sich an diese Überprüfung erinnern.
Noch während der Innensenator sich letzte Woche wegen der FPR parlamentarisch verantworten mußte, forderte die Opposition bereits aufgrund eines weiteren Skandals bei der Polizei den nächsten Untersuchungsausschuß. In mehreren Fällen laufen seit Tagen strafrechtliche Ermittlungen „wegen Körperverletzung im Amt zum Nachteil ausländischer Mitbürger“, weil Beamte auf verschiedenen Revieren Ausländer als „Scheißkanacke“ oder „Saujude“ beschimpft und sie mißhandelt haben sollen. Nach Ansicht des sicherheitspolitischen Sprechers der SPD, Hans-Georg Lorenz, „haben sich im letzten Jahr solche Fälle kraß gehäuft“. Die Grünen gehen davon aus, daß das nur „die Spitze des Eisbergs“ ist.
Mittlerweile beäugen auch Bonner Innenpolitiker die Sicherheitslage in ihrem zukünftigen Amtssitz mit Unbehagen. Für den innenpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Wilfried Penner gehen die „landespolizeilichen Fehlentwicklungen“ in Berlin an die „Grundlage der Legitimität polizeilichen Handelns“. Dadurch werde das Ansehen Berlins „nicht unerheblich getrübt“. Auch der stellvertretende Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, der FDP-Mann Wolfgang Lüder, fordert ein schärferes Vorgehen gegen die schwarzen Schafe. Der Innensenator glänze nur durch Routineerklärungen und lasse die notwendige Härte bei den Ermittlungen fehlen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen