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Bei Festnahme Handgelenk gebrochen

■ Polizeiübergriffe: Tamile trotz Kaufbeleg des Raddiebstahls beschuldigt, beleidigt und mißhandelt / Per Lautsprecher als Fahrraddieb gebrandmarkt / Strafanzeige gegen Polizei wegen erlittener...

Berlin. Die Vorwürfe gegen Polizeibeamte, Ausländer mißhandelt zu haben, reißen nicht mehr ab. Der taz wurde erneut ein gravierender Vorfall bekannt: Ein fälschlicherweise als Fahrraddieb beschuldigter Tamile konnte mehrere Monate lang nicht arbeiten, weil ihm bei seiner Festnahme das Handgelenk gebrochen worden war. Außerdem wurde er nach seiner Aussage öffentlich per Lautsprecher als Fahrraddieb gebrandmarkt.

Thiyagarajah P. war am Nachmittag des 14. Juli 1992 per Fahrrad von seiner Wohnung im Wedding zu seiner Arbeitsstelle in Moabit gefahren. An einer Straßenecke, so schildert er in seinem Gedächtnisprotokoll, hätten ihn zwei Polizeibeamte in Zivil angehalten. „Ich wurde aufgefordert, mein Fahrrad zum Kontrollieren der Rahmennummer umzudrehen“, schreibt er. Da diese jedoch nicht wie sonst üblich im Tretlager gefunden werden konnte, habe ihn einer der Beamten des Diebstahls bezichtigt, obwohl er sogar den Kaufbeleg aus einem Bilka-Kaufhaus habe vorweisen können. Der Beamte „knüllte ihn wortlos zusammen“, so der Tamilie, und sein Kollege „legte mir nach Zuruf sofort Handschellen an. Dabei ging er mit solcher Gewalt vor, daß ich sofort starke, stechende Schmerzen im linken Handgelenk verspürte, die bis in die Schulter ausstrahlten. Gleichzeitig wurde meine linke Hand dick.“ Sein Hausarzt diagnostizierte später einen Bruch des linken Gelenks und Hautverletzungen am rechten.

Zudem, heißt es in dem Protokoll weiter, hätten ihn die beiden Polizisten „in dem Sinne beschimpft, daß solche Diebstähle nur von Ausländern verübt würden“. Sein Rad sei beschlagnahmt und er selbst zu einer nahegelegenen Wache gefahren worden. Möglicherweise ist damit das Revier 31 in der Perleberger Straße gemeint, das kürzlich durch einen Beitrag im ZDF-Magazin Kennzeichen D in Verruf geriet. Als er weiter beteuerte, kein Dieb zu sein, sei der Beamte, der ihm die Handschellen angelegt habe, nur durch einen Kollegen daran gehindert worden, ihn zu schlagen.

Derselbe Mann habe sodann von seinem Rad ein normalerweise als Hupe dienendes Multifunktionsgerät abmontiert, das auch als Mikrofon benutzt werden könne. Unter Mißbrauch des Geräts habe er ihn zu einem weiteren Revier gefahren: „Er rief ständig aus dem geöffneten Fenster, daß ich ein Fahrraddieb sei (sinngemäß). Dadurch fühlte ich mich erheblich beleidigt und zu Unrecht öffentlich bloßgestellt.“

In der anderen Dienststelle seien ihm nach zwei Stunden endlich die Handschellen abgenommen, seine Verletzungen aber nicht zur Kenntnis genommen worden. Mehrere Stunden lang habe er – ohne jede Möglichkeit, seine Frau, seinen Arbeitgeber oder seinen Anwalt anzurufen – in einem kalten Raum eingesperrt ausharren müssen, bis er endlich, allerdings ohne Fahrrad, entlassen worden sei. In der Nacht habe er wegen der starken Schmerzen nicht schlafen können, am nächsten Morgen sei sein Handgelenk eingegipst worden.

Thiyagarajah P. hat inzwischen sein Rad zurückbekommen – für seinen Anwalt ein Indiz, daß das von der Polizei eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Diebstahls bald eingestellt wird. Wegen der erlittenen Mißhandlungen hat er selbst Strafanzeige gestellt. Weit kann das Verfahren allerdings noch nicht gediehen sein, da er erst am 1. April vernommen werden soll. Ute Scheub

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