: Weizsäcker verzichtet aufs Kronprinzenpalais
■ Bundespräsident will noch 1993 nach Berlin umziehen Amtssitz bleibt Schloß Bellevue/ Pläne für Mitte gefährdet
Berlin. Die historische Stadtmitte muß immer mehr jener staatlichen Funktionen abgeben, die Berliner Planer ihr zugedacht haben. Nachdem Bundesaußenminister Klaus Kinkel (FDP) am Wochenende das Gebäude der ehemaligen Reichsbank als Standort des Außenamts „für nicht geeignet“ befunden hatte, will nun Bundespräsident Richard von Weizsäcker auf das Kronprinzenpalais als Amtssitz verzichten.
Von Weizsäcker kündigte nach einem Gespräch mit Bundeskanzler Kohl und dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) an, er wolle noch in diesem Jahr den Schwerpunkt seiner Tätigkeit von Berlin aus wahrnehmen. Den Amtsgeschäften werde der Staatschef vom Schloß Bellevue aus nachgehen, teilte das Präsidialamt am Donnerstag in Bonn mit. Im Interesse „einer zügigen Verwirklichung des Hauptstadtbeschlusses“ habe sich von Weizsäcker entschlossen, von den Plänen zur Verlegung des Amtssitzes ins Kronprinzenpalais abzusehen, hieß es. Statt dessen stimme von Weizsäcker einem zusätzlichen Neubau in der Nähe des Schlosses Bellevue zu. Berliner Politikerinnen und Politiker begrüßten gestern die Ankündigung von Weizsäckers.
Die Entscheidung des Bundespräsidenten, auf das Kronprinzenpalais an der Straße Unter den Linden für Repräsentationsaufgaben aus Kostengründen zu verzichten, könnte fatale Folgen für die Berliner Stadtentwicklung haben. Das Ziel, nicht nur im Spreebogen Regierungsfunktionen ansiedeln zu wollen, sondern auch auf der Spreeinsel mindestens vier Ministerien zu konzentrieren, wäre nicht mehr zu halten. Die Absicht von Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer, der neben dem Außenamt das Innenministerium im Staatsratsgebäude, das Bauministerium im ehemaligen Ministerium für Bauwesen und in der „Münze“ den „Kopf“ des Finanzministeriums in der Stadtmitte ansiedeln will, scheint wenige Tage vor dem Treffen der Kommission für Regierungsstandorte am kommenden Dienstag gescheitert.
Die Standorte und Flächen suchte Hassemer deshalb aus, damit sich die Ministerien in die urbane Struktur der Stadt einfügen könnten. „Es sollen keine monofunktionalen Großkomplexe gebildet werden“, heißt es in dem Gutachten zur „Spreeinsel“ aus dem Hause des Stadtentwicklungssenators. Mit der Überlegung geht einher, das Areal der einstigen Ministergärten für „Landesvertretungen“ freizuhalten. Eine Ansiedlung von Ministerien südlich des Brandenburger Tores würde einen Regierungsriegel – vom Spreebogen bis zum Potsdamer Platz – vor die Stadtmitte legen.
Der Verzicht des Bundespräsidenten auf das Kronprinzenpalais und die Absicht Kinkels, das Außenamt in die Ministergärten zu verlegen, bringt nach Ansicht Cornelia Poczkas, Pressereferentin von Volker Hassemer, die Pläne für die Stadtentwicklung ins Wanken. Wegen der Begehrlichkeiten von Kinkel und Richard von Weizsäckers „müssen die Berliner Vorbereitungen möglicherweise insgesamt neu erarbeitet werden“.
Auch die Restpläne, das Innen- und Justizministerium in den bestehenden Gebäuden unterzubringen, erscheint fraglich. Die Gebäude des Staatsrats, der Reichsbank, des Außenministeriums und der „Palast“ stehen ganz oben auf der Liste eines „Abrißgutachtens“ des Bundesbauministeriums. In die existierenden Gebäude, so Poczka, wollten die Ministerien nicht einziehen. Sie forderten Neubauten. Der städtebauliche Wettbewerb „Spreeinsel“ zur Neugestaltung des Areals werde dennoch stattfinden – auch unter veränderten Vorzeichen. Rolf Lautenschläger
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