: „Wir sind immer noch Sklaven“
■ Interview mit Stephen Buama Gyamerah, Vorstandsmitglied der „Ghana Students Union“ in Berlin
Der 27jährige Maschinenbau- Student Stephen Buama Gyamerah aus Ghana glaubt, daß es ohne eine Änderung der ökonomischen Grundlagen für sein Heimatland keine Zukunft geben wird. Nach einem einjährigen Sprachkurs in Aachen ist er im vierten Jahr an der TU Berlin eingeschrieben.
taz: Die Ghanaer stellen zahlenmäßig eine der wichtigsten Immigrantengruppen aus Afrika in Deutschland, einige leben schon über dreißig Jahre hier. Glaubst du nicht, daß sie mehr Aufmerksamkeit verdienten?
Stephen Buama: Das stimmt, aber ich sehe das anders. Warum sind die Ghanaer hierhergekommen? Diese Frage muß geklärt werden, denn niemand kann mir erzählen, daß ein Ghanaer sich hier in Deutschland besser fühlen würde als zu Hause. Vorbeugen ist besser als heilen, deshalb sollten zuerst die Probleme in Ghana gelöst werden, dann würden die Leute auch nicht mehr hierherkommen, in ein Land, in dem sie nicht willkommen sind. Das ist eine Tatsache. Ich sehe überhaupt keine Chance, daß die Lebensbedingungen der Ghanaer hier verbessert werden könnten. Die Menschen in Ghana selbst sollten sich darüber klar werden, daß Ghana ein sehr wichtiges Land ist. Nur mit einem solchen Bewußtsein von der eigenen Stärke können wir helfen, die Situation der im Ausland lebenden Ghanaer zu verbessern. Hier in Deutschland leben beispielsweise Millionen türkischer Menschen, trotzdem erreichen sie nichts, weil die deutsche Gesellschaft es ihnen nicht erlaubt.
Hast du konkrete Vorschläge?
Man müßte zum Beispiel herausfinden, warum wir solche wirtschaftlichen Probleme haben, obwohl wir doch so viele Rohstoffe produzieren. Da muß irgendwo ein Loch sein. Ghana muß seine Strukturen grundlegend ändern. Diese Strukturen haben die britischen Kolonialherren installiert, um ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.
Nach 36 Jahren Unabhängigkeit muß endlich damit Schluß sein, sonst bleiben wir weiterhin nichts anderes als Sklaven. Mit unseren Exporten bedienen wir Europa und die USA. Wenn aber zum Beispiel Völker in unserer Nachbarschaft hungern, dann schicken die Amerikaner und die Deutschen ihren (billig importierten) Reis und tun damit gleichzeitig was für ihr Image. Wenn wir statt Kakao Mais anbauen würden, dann könnten wir selbst die Versorgung der Menschen in Somalia und Äthiopien übernehmen.
Aber sollten nicht diejenigen, die hier bleiben wollen, für ihre Rechte kämpfen?
Man kämpft nur für etwas, wenn man eine Chance hat. Es gibt hier viele wichtige und zahlenmäßig starke Organisationen, aber was haben sie erreicht? Selbst wenn sich alle Ausländer hier zusammenschließen würden – ohne Wahlrecht wird sich nichts ändern. Sie sind nicht wichtig für die Politiker. Für die Ausländer ist es am besten, ihr eigenes Land ökonomisch stark zu machen. Kein Amerikaner wird hier so behandelt wie die Leute aus der Dritten Welt.
Was sagst du zu dem Bild, das die Deutschen von Afrikanern, speziell denen aus Ghana, haben?
Es ist schon sehr traurig, daß, sobald ich mich als Ghanaer vorstelle, die meisten Deutschen glauben, ich sei ein Krimineller. Ich kann das gar nicht verstehen, denn in Ghana wird kaum gestohlen. Wenn jemand schreit: „Hilfe, ein Dieb!“, dann rennen alle hinter dem Täter her, und manchmal prügeln sie ihn fast tot.
Sollte an den Berichten über die hohe Kriminalität etwas dran sein, müßte man herausfinden, warum manche Ghanaer hier sich so verhalten. Natürlich wird über die Mehrheit der Ghanaer, die nicht straffällig wird, kein Wort verloren, ebensowenig wie über die deutschen Kriminellen schwersten Kalibers in Ghana: so plündern bundesdeutsche Holzkonzerne unter Umgehung der ghanaischen Gesetze die Wälder unseres Landes aus.
Du willst Maschinenbau-Ingenieur werden, aber deine Interessen scheinen eher auf dem politischen Gebiet zu liegen?
So einseitig würde ich das nicht sehen, aber als Ingenieur-Student fühle ich mich verpflichtet, zur Verbesserung der Lebensbedingungen meiner Landsleute beizutragen. Nach Abschluß meines Studiums möchte ich nach Ghana zurückgehen. Falls ich genügend Geld zusammenkriege, würde ich gerne eine Art Zentrum für landwirtschaftliche Technologie aufbauen, mit angeschlossenen Ausbildungsplätzen und dem Ziel, die in Ghana gebräuchlichen traditionellen Geräte weiterzuentwickeln.
Das Interview führte
Jos Ajabo Mauersberger
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen