Ein Omnibus gegen den Ausländerhaß

■ Bürger spenden 40.000 Mark für „Ausländer – na klar!“-Aktion

Ravensburg (taz) – Es war 1989. Die württembergische 45.000-Einwohner-Stadt Ravensburg machte Schlagzeilen nach einem brutalen Überfall von Skinheads auf die Jugendherberge. Der Terror von rechts hält die Region lange Zeit in Atem. Zwei Jahre später wird vor einem Lokal in Friedrichshafen am Bodensee ein 34jähriger Angolaner von einem 19jährigen Skinhead brutal niedergestochen. Er stirbt noch am Tatort. Zur Gerichtsverhandlung im Februar 1992 rücken die Rechtsextremen im Gerichtsgebäude an, verschmieren eine Toilette mit Nazi- Parolen. Kurze Zeit später, als ganz Deutschland vom Fremdenhaß überrollt wird, brennen auch in der Bodenseeregion Flüchtlingsheime, werden auch hier Judenfriedhöfe geschändet.

Doch die Negativ-Serie ist durchbrochen. Die Menschen sehen nicht länger schweigend dem rechten Treiben zu. Engagierte Frauen und Männer gründen im Frühsommer '92 eine pfiffige Bürgerinitiative. Die Aktion „Ausländer – na klar! Gemeinsam gegen Vorurteile“ findet inzwischen bundesweit Anklang. Täglich werden bei Irmgard Sollinger aus ganz Deutschland Informationen angefordert. Prominente Persönlichkeiten wie Martin Walser, Hildegard Hamm-Brücher, Carl Herzog von Württemberg und viele andere haben sich der Aktion angeschlossen. Doch nicht nur das. Eine Anzeigenserie in verschiedenen Regionalzeitungen bietet reichlich Gesprächsstoff an den Stammtischen. „Ausländer leben auf unsere Kosten“, steht da zu lesen. Ist es nicht genau das, was an besagten Stammtischen immer wieder zu hören ist? Doch das Zitat wird schnell relativiert. „Lassen Sie sich nicht irreführen“, heißt es. Und dann wird darüber informiert, daß seit 1961 die 5,5 Millionen Ausländer in Deutschland 140 Milliarden Mark in die deutsche Rentenversicherung einbezahlt haben.

T-Shirts mit dem Logo „Ausländer – na klar!“ werden zu Tausenden verkauft. Es gibt Schlüsselanhänger, Aufkleber, und es gibt viel Aufsehen im Bodenseeraum. Und viel Zustimmung. Über 40.000 Mark wurden inzwischen von Bürgern gespendet, und Mitte der Woche begann eine weitere Aktion: An Litfaßsäulen kleben große gelbe Plakate, den Anzeigen in den Zeitungen ähnlich. Anfang April soll dann ein Omnibus der Toleranz hinzukommen. Ein Stadtbus wird mit dem „Ausländer – na klar!“-Slogan beklebt. Der Ausländerbeauftragte von Ravensburg, Ederer, spricht davon, daß es inzwischen schon wesentlich besser geworden sei mit der Toleranz. Die Skins hätten sich weitgehend aus der Stadt zurückgezogen.

Aus Ravensburg (elf Prozent Ausländeranteil) gibt es auch immer wieder positive Dinge zu vermelden. Da ist zum Beispiel der Rektor an der Kuppelnau-Schule, einer Grund- und Hauptschule mit über 50 Prozent Ausländerkindern. Der Mann wird nicht müde zu betonen, daß er stolz auf seine internationale Schule ist, daß Kinder, die in einer solchen Schule groß werden, fürs Leben viel besser gerüstet sein werden als Schüler an herkömmlichen Schulen.

Ein Blick auf den Pausenhof gibt ihm recht. Multikulturelles Miteinander in einer Kleinstadt, in Baden-Württemberg. Eine zwölfjährige Deutsche, die mit einer russischen Freundin über den Schulhof radelt, berichtet von einer Ausstellung an der Schule. Auf einem Plakat habe sie gelesen, „Alle Menschen sind gleich – ob schwarz oder weiß“, sie kommentiert das mit den Worten: „Es müßte ja wirklich so sein, denn Ausländer sind ja genauso Menschen wie wir.“ Vorne, zur Straße hin, am Ende des Schulhofs, hängt seit Mittwoch an der Litfaßsäule auch so ein gelbes Plakat: „Ausländer – na klar! Gemeinsam gegen Vorurteile“. Klaus Wittmann