: Waigel weist jede Viecherei von sich
Finanzminister unter Druck: Ein „Sondererlaß“ seines Ministeriums klemmte Ermittlungen gegen Viehbaron Moksel wegen Subventionsbetrug ab/ Grüne erstatten Strafanzeige ■ Von Thomas Scheuer
Berlin (taz) – Der Allgäuer Theo Waigel kommt wegen seiner Rechtshilfe für Allgäuer Amigos immer mehr in Bedrängnis: Die Grünen haben am Samstag im Zusammenhang mit der Subventionsaffäre um die Allgäuer Fleischfirma Moksel Strafanzeige gegen Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) erstattet. Waigel sei der Begünstigung und Strafvereitelung im Amt verdächtig, weil aufgrund eines „Sondererlasses“ seines Ministeriums vom 15. 1. 93 die Ermittlungen gegen Moksel wegen Subventionsbetrugs kurz vor Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft Augsburg am 5. März eingestellt worden seien. Wie die taz bereits vor einer Woche unter dem Titel „Schweinereien mit Rindviechern“ erstmals berichtete, wurde gegen Moksel wegen des Verdachts ermittelt, sich für Schlachtviehexporte zwischen Wende und Vereinigung ungerechtfertigt „besondere Stützungsmaßnahmen für die DDR-Landwirtschaft“ erschlichen zu haben. Denn die exportierten Tiere stammten teilweise gar nicht aus der DDR, sondern aus den alten Bundesländern; die Herkunftsbezeichnungen waren gefälscht. Die Staatsanwaltschaft Augsburg ermittelte daher wegen Subventionsbetrug.
Doch Mitte Januar 1993 flatterte den Ermittlern ein Erlaß aus Theo Waigels Finanzministerium auf den Tisch, in dem rückwirkend die Vergabekriterien für die damaligen Exportbeihilfen entschärft wurden. Danach wurden an den Nachweis, daß Tiere tatsächlich aus dem Osten stammten, plötzlich weniger strenge Anforderungen gestellt (vergl. taz vom 13.3.). Aufgrund dieses Erlasses aus dem Hause Waigel stellte die Staatsanwaltschaft Augsburg am 5. März das Verfahren gegen Moksel ein und ermittelt seither nur noch wegen Urkundenfälschung gegen eine 22jährige Moksel-Sekretärin. Die Süddeutsche Zeitung apostrophiert diesen Erlaß als „Sondererlaß“ und zitiert in ihrer Samstagsausgabe einen Staatsanwalt mit der Aussage, ohne ihn „wäre es mit Sicherheit zu einer Anklage gekommen“.
Der Fraktionschef der bayerischen Landtagsgrünen, Manfred Fleischer, beschuldigte Waigel, mit dem Erlaß „kriminelle Praktiken“ des Allgäuer Fleischkonzerns mit einer „Lex Moksel“ nachträglich legalisiert zu haben.
CSU-Generalsekretär Erwin Huber warf den Grünen am Samstag wegen ihrer Anzeige „Ehrabschneidung“ und „politischen Rufmord“ vor. Der Öko-Partei fehle der politische Anstand. Waigel selbst wies Vorwürfe, er habe persönlich auf den Erlaß Einfluß genommen, als „absurd“ zurück. „Das ist über die Referatsebene nicht hinausgekommen“, sagte er.
Mit dieser Argumentation zog sich der Allgäuer Theo Waigel bereits im Sommer 1991 aus der Affäre, als eine vergleichbare Durchstecherei des Allgäuer Moksel- Konzerns ruchbar geworden war: Im Juni 1990 hatten die bayerischen Metzgerkonzerne Moksel und März in der damaligen CSSR zweitausend Tonnen vom Feinsten gekauft: Hochwertige Filets und Roastbeef. Die Ware wurde in der DDR zwischengelagert und rutschte am 1. Juli, dem Stichdatum der Wirtschafts- und Währungsunion — automatisch und zollfrei — in die EG. Zollfahnder kamen hinter den Dreh und orteten ein Umgehungsgeschäft zwecks Steuerhinterziehung. Steuerschaden: 17 Millionen DM. Im Dezember 1990 lag der Schlußbericht der Zollfahndung mit dem Aktenzeichen E0636/90-511 S 1290 vor. Doch der Report versickerte folgenlos in den Schubladen des Bonner Finanzministeriums. Auch in diesem Fall behauptete Waigel, persönlich nie mit der Sache befaßt gewesen zu sein.
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