: Der Geist der Stadt
■ Architekten- und Ingenieur-Verein zu Anpassungsversuchen zwischen Spreebogen, Reichstag und Zentralbahnhof
Berlin. Kaum vier Wochen nach der Entscheidung des Wettbewerbs Spreebogen zum Regierungsviertel wird immer deutlicher, daß die Ergebnisse der parallel ausgelobten Konkurrenten – der Umbau des Reichstages und die Neuplanung des „Zentralbahnhofs“ – nicht zueinander passen. Zugleich wird offenbar, daß die Reihenfolge der Ausschreibungen und Fehler in der Auslobung selbst – etwa die Größe des Plenarsaals – die Ursachen der Unpäßlichkeiten sind.
Der „Geist der Stadt“, der den Entwurf von Axel Schultes präge, finde sich weder in den Planungen zum Reichstag noch in dem Bahnhofsentwurf, kritisierte der Architekt Josef Paul Kleihues. Statt „Anpassungsversuchen“ durch Überarbeitungen sollten die Architekten des Reichstagsumbaus „von vorne beginnen“, sagte Kleihues auf der Diskussionsveranstaltung des Architekten- und Ingenieur-Vereins (AIV) zum Thema „Spreebogen“. Ihre Planungen seien keine „preußisch-sparsamen“ Konzepte. Noch respektierten sie die Geschichtlichkeit des Bauwerks.
Axel Schultes überarbeitet derzeit seinen Entwurf zum Spreebogen. Die Planungen für Bundesbauten in der Luisenstraße und zum Kanzleramt werden korrigiert. Das neue Konzept sieht ein Kanzleramt vor, das als dritter eigenständiger Baukörper zwischen Reichstag und Bundesrat heraustritt. Den Wettbewerbsentwurf sieht Schultes insgesamt gefährdet, sollten weitere Begehrlichkeiten das Bauprogramm „zerreiben“. Schultes: „Widerstände gegen die Überarbeitung – die Verbreiterung des Ost-West-Bandes oder die Baumassenverteilung – könnten sich verheerend auf die Gesamtplanung auswirken.“ Die Vorschläge zum Reichstag sowie zum Zentralbahnhof „müssen in das städtebauliche Gerüst eingebaut werden“. Die Dimension des Bahnhofs überforme die städtebauliche Figur des Spreebogens. Der massige Bau mit seiner 400 Meter langen Halle „stecke wie ein Pfahl im städtebaulichen Fleisch“, so Schultes.
Ein erster Schritt, den Zentralbahnhof „abzuspecken“, wäre die Reduzierung der Fernbahngleise, wie Meinhard von Gerkan vorschlug. Der Bahnhof könne dann in die Blockstruktur integriert werden. Außerdem zeigte von Gerkan eine Variante auf, die den diagonal zum Humboldthafen angelegten Bahnhof mit dem orthogonal entwickelten Stadtgrundriß von Schultes in Einklang brächte. Außerdem sollte in die Überlegungen die Ausrichtung des Bahnhofsvorplatzes nach Norden mit einfließen, betonte Jürgen Starnick (MdB). Dies setze allerdings voraus, daß die Pläne der Berliner Stadtentwicklung im Bereich der Lehrter Straße und der Invalidenstraße „aufgegeben werden“ und die Verkehrsplaner zur Tunnelführung endlich Konzepte vorlegten, so Starnick. Die Planung der „Haase-Leute ist Idiotie“, sagte Starnick. Gefragt seien baubare Verkehrslösungen. Rolf Lautenschläger
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