Geldstrafe für Hakenkreuz-Song

Musiker der Skinhead-Band „Radikahl“ wegen Verbreitens verfassungswidriger Propagandamittel verurteilt/ Dank Gesetzeslücke bleiben Auftritte straffrei  ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler

Zu Geldstrafen zwischen 10.800 DM und 7.200 DM wegen Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen wurden vier Mitglieder der rechtsextremen Skinhead-Gruppe „Radikahl“ verurteilt. Die Kammer des Nürnberger Landgerichts blieb damit weit unter den Anträgen des Staatsanwalts, der aus generalpräventiven Gründen Freiheitsstrafen zwischen zehn und acht Monaten verbunden mit Geldauflagen gefordert hatte.

Die Nürnberger Skinhead- Band stand in den letzten beiden Jahren in der neonazistischen Skinhead-Szene hoch im Kurs. Sie wurde bei ihren Konzerten vor allem in den neuen Bundesländern stürmisch gefeiert und spielte mit der britischen Kultband „Screwdriver“ zusammen. Ihr Anfang 1991 hergestelltes Demo- Tape mit dem Titel „Retter Deutschlands“ fand reißenden Absatz. Der darauf enthaltene „Hakenkreuz“-Song, in dem die Band offen das Hakenkreuz als NS-Symbol verherrlicht, „Hängt dem Adolf Hitler den Nobelpreis um“ und „Rache für Heß“ gefordert hat, rief die Staatsanwaltschaft auf den Plan. Auch nachdem die Polizei im November 1991 Hausdurchsuchungen bei den Bandmitgliedern durchgeführt hatte, ging „Radikahl“ mit dem Song weiterhin auf Tour.

Vor Gericht lehnten die zum großen Teil einschlägig wegen Körperverletzung oder Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole vorbestraften Angeklagten im Alter zwischen 22 und 25 Jahren jede Verantwortung für den Liedtext ab. Sie hätten „nur Musik“ gemacht, der Text stamme von der Vorgängerband „Giftgas“ und außerdem seien sie „vom Mob gezwungen“ worden, den Hakenkreuz-Song zu spielen. Ansonsten sei man schon immer gegen Gewalt gewesen und wolle mit den „hirnlosen Idioten, die Steine auf Asylantenheime werfen“, nichts zu tun haben.

Staatsanwalt Höfler beklagte in seinem Plädoyer die „Gesetzeslücke“, daß das öffentliche Absingen des Hakenkreuz-Songs nicht strafrechtlich geahndet werden könne. Der Straftatbestand der Volksverhetzung sei nicht erfüllt, da in dem Lied nicht gegen „Teile der Bevölkerung aufgestachelt“ werde. So bleibe nur der Tatbestand des Verbreitens von Propagandamitteln, der sich aber lediglich auf „Schriften, Ton- oder Bildträger, Abbildungen oder Darstellungen“ bezieht. Der öffentliche Auftritt als solcher könne damit aber nicht geahndet werden. Aufgrund der „verheerenden Wirkung“ des Demo-Tapes, das die Gruppe „Radikahl“ in der Szene bekannt gemacht habe, forderte der Anklagevertreter wegen der „völlig unmißverständlichen Darstellung zur Verherrlichung der NS-Zeit“ Freiheitsstrafen auf Bewährung. „Radikahl“ habe den „geistigen Nährboden“ für die Stimmung in Deutschland bereitet.

Die Verteidiger bemühten sich, das Verhalten der Band-Mitglieder als „jugendtümliche Verhaltensweise“ hinzustellen. Sie kritisierten, daß die Strafverfolgungsbehörden lange dem Treiben der Skinhead-Bands zugeschaut hätten. „Man kann jetzt dieses Verfahren nicht als Alibi für Dinge nehmen, die in der Vergangenheit zu lax gehandhabt wurden.“ Außerdem habe sich das Demo-Tape und auch die Konzerte ausschließlich an Gleichgesinnte gerichtet. „Hier wurde keiner verführt.“ Bei zwei Angeklagten forderten sie die Anwendung des Jugendstrafrechts, da schon allein deren Zugehörigkeit zur Skinheadszene „auf Reiferückstände schließen“ ließe.

Mit ihrem Urteil schloß sich Richterin Sorg weitgehend den Anträgen der Verteidigung an. Für sie war klar, daß die „Radikahl“- Musiker sehr genau von der Wirkung des Hakenkreuz-Songs wußten und diese auch bewußt eingesetzt haben. Es sei „aber nichts zu Tage getreten, was auf eine unmittelbare Verbindung der Angeklagten zur gewaltbereiten Szene schließen“ lasse. Deshalb hielt sie eine „fühlbare Geldstrafe“ für angebracht und sorgte damit für Erleichterung auf der Anklagebank.