: Stabiler Dinosaurier
Jahresbilanz der Deutschen Bank: Rekordgewinn von 6,4 Milliarden Mark 1993 werden 3.000 Arbeitsplätze abgebaut ■ Aus Frankfurt Hermanus Pfeiffer
„Wenn die Deutsche Bank hustet, bekommt die deutsche Börse bald Schwindsucht“, lautet ein alter Frankfurter Börsenscherz. Noch im Dezember erklang ein heftiger Hustenanfall am Main, als der erfolgsgewöhnte Finanzriese seine Zehn-Monats-Bilanz mit einem schrumpfenden Betriebsergebnis vorlegte. Solches hatte es bei der Deutschen Bank (DB) seit fünf Jahren nicht mehr gegeben. Daraufhin sank der Börsenkurs der DB-Aktie auf 630 DM und damit – rechnerisch – um 1,8 Milliarden Mark (Marktkapitalisierung der Aktie: rund 30 Milliarden Mark).
Die gestern auf der Bilanz-Pressekonferenz in Frankfurt veröffentlichten Botschaften werden diesmal zu keinem Kurssturz führen: Weiterhin präsentiert sich die Deutsche Bank als stabiler Dinosaurier, dem eine gewisse Dynamik nicht abzusprechen ist. Der Abschluß für das Jahr 1992 fiel nach den Worten von Vorstandssprecher Hilmar Kopper „sehr erfolgreich“ aus, an anderer Stelle seiner Rede bezeichnete der recht spritzige Banker den Geschäftsverlauf dann als „gut“. Ob nun die Note „1“ oder „2“ angemessen sei – die überraschend positive Wertung soll dem vierten Quartal 1992 geschuldet sein.
Die Bilanzsumme erklomm einen neuen Höchststand von 497 Milliarden Mark. Zum Apfel-Birnen Vergleich: Der Bundesetat für das gesamte Jahr 1993 beträgt einschließlich Nachtragshaushalt 440 Milliarden Mark. Die 50 Milliarden Bilanzzuwachs seien dem Kreditgeschäft (plus 21 Milliarden) sowie den von 0,4 auf 12,4 Milliarden gestiegenen „Kapitalanlagen der Versicherungsgesellschaften“ zu verdanken.
Um acht Prozent lag das Betriebsergebnis 1992 über dem des Vorjahres (Zins- und Provisionsüberschuß minus Personal- und Sachaufwand und Ergebnis aus Eigenhandel mit Devisen, Edelmetall sowie Wertpapieren). Unangehmem nur, daß derweil die Konkurrenz zum Teil zweistellige Gewinnzuwächse verbucht. Der Jahresüberschuß stieg auf 1,8 Milliarden Mark, die Dividende verharrt auf dem Vorjahresstand von 15 Mark pro Aktie.
Das DB-Imperium darf weiter als erfolgreich gelten. Die Internationalisierung schritt voran, das Allfinanz-Konzept rundete sich, und mit der Begradigung der Kostenstruktur wurde begonnen. International ließ der massive Andrang deutscher Anleger im Zusammenhang mit der neugeregelten Zinsbesteuerung die Kunden- Zahl der Deutsche Bank Luxembourg S.A. um 164 Prozent (sic!) nach oben schnellen. Finanziell kleinere Kunden der führenden Euro-Bank im Großherzogtum werden mittlerweile an befreundete Häuser weitergereicht. Das Fondsvermögen der Luxemburger Investment-Tochter verdoppelte sich auf 28 Milliarden Mark.
Ortswechsel: An einem der größten Verkäufe der Finanzgeschichte – die Mehrheitsbeteiligung an der BfG-Bank übernahm Crédit Lyonnais – war die Londoner DB-Tochter Morgan Grenfell & CO. beratend beteiligt. In Spanien wurden die DB-Beteiligungen erheblich ausgebaut, und dank des „Mandarin Fonds“ der Deutschen Bank kann der moderne Kapitalist heute in rot-chinesische Wertpapiere investieren. 45 Prozent der Bilanz-Aktiven kommen aus dem Ausland.
Erfolgreich verlief der Ausbau des Versicherungsgeschäftes. Zu der DB-Lebensversicherung gesellte sich im Hochsommer 1992 ein 30-Prozent-Anteil am Gerling- Konzern, einem der führenden Erst- und Rückversicherer der Welt und extrastark im Industriegeschäft.
Kaum neigte sich der Sommer seinem kühlen Ende zu, als die Deutsche Bank eine Mehrheitsbeteiligung am Deutschen Herold kaufte. Hausbank des Privatversicherers war bisher die Dresdner Bank, Herold soll in der Branche als „Perle“ gelten. Derweil waren dem DB-Konkurrenten Dresdner Bank dank der neuen Kooperation mit der Allianz-Versicherung die Hände gebunden.
Trotzdem lief auch nicht alles rund im vergangenen Jahr. Angesichts der Größe des Imperiums muß dies wohl so sein. Die Klöckner-Werke, dem Stahlunternehmen ist das Kreditinstitut als Hausbank verbunden, mußte Vergleich beim Duisburger Amtsgericht anmelden. Die eng mit der Deutschen Bank verflochtene Siemens AG leistete sich für ihre Vermögensverwaltung die Gründung einer eigenen Investmentgesellschaft (Depotbank bleibt die Deutsche). Und der Ruhestand von F. Wilhelm Christians führte zum Verlust des Aufsichtsratsvorsitzes an den Dresdner-Bank-Chef Wolfgang Röller.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung vermutete im Dezember, daß sich die Banken angesichts der politischen Zeiten bemühen würden, ihre „Ertragskraft soweit wie möglich zu verniedlichen“. Solche Zurückhaltung schiene allein angesichts des, auch laut Bankenverband, „mäßigen Tarifabschlusses“ ein Gebot der Höflichkeit. Politisch geboten wäre die bilanztechnische Verniedlichung von Betriebsergebnis und Gewinn ebenso wegen der beginnenden tiefgreifenden Rationalisierungsbewegung im Institut. Seinen sichtbaren Ausdruck soll die bald „schlankere Organisation“, heißt es aus Frankfurt, in 3.000 abgebauten Arbeitsplätzen finden. Kopper: „In den Kosten steckt der Gewinn.“
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