: Knastneubauten abschwören
■ betr.: "Die RAF schlägt Hoechst um Längen", taz vomn 30.3.93
betr.: „Die RAF schlägt Hoechst um Längen“,
taz vom 30.3.93
[...] Was sollte eigentlich die Aufregung „dieser unserer Nation“ über den RAF-Anschlag auf den Knast in Weiterstadt? Das hat doch gute anarchistische Tradition, und niemandem hat's geschadet. Nach den sinnlosen Anschlägen auf irgendwelche Herren der Industrie (man konnte doch draus lernen, daß diese Exemplare zum einen offenbar in Serie hergestellt wurden und zum anderen – was sich bedingt – schneller nachwachsen als ein Fußpilz!) nun eine Aktion, die niemanden das Fürchten lehrt, aber klarstellt, daß so Worthülsen wie „Humaner Strafvollzug“ nichts anderes als eine contradiction in adjecto sind.
Also: Schluß mit den Knästen. Wir sparen uns die Knastabos und fahren dafür „mit dem Gogo nach Marokko“!
Notabene: Ach so, was wird mit Gewalttätern im Sinne sexueller Gewalt? Na klar, unabhängig von Alter, Herkunft, Hautfarbe und Geschlecht des Opfers werden sie standrechtlich kastriert!
Nota optime: Und Neonazis? Zur Strafe ein „Urlaub in Ex-Jugoslawien“ oder in der Rest- UdSSR. Für Jugendliche auch wahlweise: Laub harken oder bei Höchststrafmaß Ministrant in einer kleinen katholischen Gemeinde! Für junge weibliche Neonazi-Apologetinnen ein Wochenende als Groupie von Udo Lindenberg oder eine Woche Teheran, mit Tschador! Johanna Scheibenpflug,
Frankfurt am Main
betr.: „Einstürzende neue Bauten in Hessen“, taz vom 29.3.93
[...] Die Überfüllung der Gefängnisse ist nicht Folge „erhöhter Kriminalität“, sondern einer kriminellen Politik. In Deutschland wird mehr eingesperrt als in den meisten anderen europäischen Ländern. Zirka zwei Drittel aller verurteilten Straftaten sind Diebstahldelikte, wovon 60 Prozent eine Schadenshöhe von 500 DM nicht übersteigen. Als Folge der menschenverachtenden Drogenpolitik werden Gefängnisse mit Verurteilten nach dem Betäubungsmittelgesetz bzw. wegen Beschaffungsdelikten angefüllt. Mit Gefängnissen wird die Abschiebung von „unerwünschten“ ausländischen Menschen sichergestellt.
Die Sprengung des Gefängnisneubaus spart zukünftige Abrißkosten für eine überholte, sozialschädliche und umweltbetonierende Institution, die trotz aller Bemühungen um „Humanisierung“ nicht einmal in der Lage wäre, die durch sich selbst verursachten gesundheitlichen und sozialen Schädigungen aufzufangen. Katharina Hammerschmidt starb nicht zufällig aufgrund medizinischer Unterversorgung durch die Knastmedizin.
Es ist zu hoffen, daß die Sprengung des Gefängnisneubaus den Einstieg in eine abolitionistische Gefängnispolitik eröffnet: Gefängnisse leeren statt neue bauen. Ohne jede Gesetzesänderung von heute auf morgen wäre z.B. möglich: die Verhängung von Untersuchungshaft weitgehend einzuschränken, die Entlassung nach der Hälfte oder nach zwei Dritteln der verbüßten Strafe sehr viel großzügiger anzuwenden. Und eine Amnestie ist auch in anderen europäischen Ländern ein beliebtes Mittel, der Überfüllung von Gefängnissen abzuhelfen. [...] Don Martin
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