piwik no script img

Von Parteienfilz und „Klaus-Thalern“

Die Bremer kommunalen Stadtwerke bedienten über Jahre lokale SPD-Strukturen mit Spenden / Sozialdemokratischer Filz vor einem Untersuchungsausschuß  ■ Aus Bremen Klaus Wolschner

Ein kommunales Unternehmen sei „auf ein offenes und vertrauensvolles Verhältnis der politischen Entscheidungsträger angewiesen“. So direkt erläuterte und begründete der Vorstands-Chef der Bremer Stadtwerke, Dr. Günther Czichon (SPD), gestern vor dem Bremer „Untersuchungsausschuß Stadtwerke“ die ins Gerede gekommene Spendenpraxis des Unternehmens. Wie ein „who is who“ der lokalen SPD liest sich die Liste der Begünstigten, die für vielfältige kulturelle und soziale Projekte den „lieben Günther“ um kleinere Summen angingen. Gleichzeitig räumte Czichon in einer nichtöffentlichen Aufsichtsratssitzung ein: „Wir hatten mit bestimmten Basiswünschen der Bremer SPD unsere Probleme.“

Die Frau des SPD-Senators Henning Scherf, die einmal für die Bundestagung von amnesty international (ai) eine Spende erbat, wurde mit 800 Mark abgespeist. Ebensoviel immerhin erhielt die Frauenbeauftragte Kerstein (SPD) für eine Ausstellung „Das Kopftuch“ ihrer Behörde.

Dagegen bekam der Bremer Hausfrauenbund, nachdem Bürgermeister Wedemeier sich dafür eingesetzt hatte, jährlich 25.000 Mark für eine Lehrküche. Regelmäßige Spenden erhielt auch die Hans-Böckler-Stiftung, die mit ihrem energiepolitischen Sachverstand „hilfreiche Gutachten“ (Czichon) geliefert habe. Spenden an die lokale bremische SPD kann Czichon „bestenfalls als Kontaktpflege“ verbuchen. Czichon redete auch hier Klartext: „Es gibt schon mal den einen oder anderen Ortsverein, der bei der innerparteilichen Willensbildung (über energiepolitische Fragen, d.Red.), Positionen vertritt, die uns nützlich sind.“

Bedeutsam erschienen den Stadtwerken offenbar auch die Pflege der guten Beziehungen zu bremischen SPD-Politikern. Zu seinem Ausscheiden aus dem Stadtwerke-Aufsichtsrat bekam der derzeitige Häfensenator Beckmeyer (SPD) zwei Armlehnstühle im Wert von insgesamt 1.899 Mark geschenkt.

Der Stadtwerkechef lobte zur Rechtfertigung solcher Großzügigkeiten die geschäftspolitischen Erfolge bei der Bremer SPD: die Kühlwasserabgabe im bremischen Wasserspargesetz, vehement verfochten vom Umweltsenator Ralf Fücks (Grüne), konnten „durch diese Gespräche und Kontakte abgewehrt werden“ (Ersparnis: 11 Millionen jährlich), unschöne Details im Energiespargesetz, die eine Kostenbelastung „zum Nachteil unserer Kunden“ (Czichon) bedeutet hätten, konnten abgewehrt werden.

Nicht erklärt ist damit der erhebliche Spendenfluß an die Bonner SPD. So gab es am 29.1.1990 und am 31.10.1990 Standard-Bittbriefe aus dem Computer des Schatzmeisters Ulrich Klose, die mit wenigen Wochen Verzug mit 10.000 Mark-Schecks beantwortet wurden. Die SPD sei die einzige Partei, die in Brüssel die Interessen von stromproduzierenden kleineren Stadtwerken vertrete, erläuterte Czichon die Lobby-Arbeit.

Nicht erklärlich ist aus den Akten, die die Stadtwerke dem Untersuchungsausschuß zur Verfügung gestellt haben, warum die Bremer Stadtwerke überstürzt am 31.12.1991 der Bonner SPD 30.000 Mark überwiesen. Auch 1992 wurde dieselbe Summe angewiesen, eine dritte Zahlung war avisiert. Auch in Bremer SPD-Kreisen halten sich die Gerüchte, diese Zahlungen stünden in Zusammenhang mit einem 250.000-Mark- Kredit, der aus der Bonner Baracke nach Bremen geflossen war – die Bremer Genossen hatten in der Schlußrunde des Bürgerschaftswahlkampfes 1991 einen teuren Schlußspurt mit großflächigen Plakaten „Lieber Klaus“ eingelegt und dennoch 12 Prozent Wählergunst verloren.

In der damaligen Situation mußte sich der Aufsichtsratsvorsitzende Klaus Wedemeier mitverantwortlich für die Defizite seiner Parteiorganisation durch rapide sinkende Wahlkampfkosten-Erstattungen fühlen. In Bremen wartet man diesbezüglich gespannt auf die Vernehmung des damaligen SPD-Schatzmeisters Klose vor dem Stadtwerke-Untersuchungsausschuß.

Was derzeit im Untersuchungsausschuß „Stadtwerke“ verhandelt wird, erfordert eine lokale Korrektur der Thesen vom „Cliquen- Klüngel, Filz“ des Kölner Soziologen Erwin K. Scheuch: In Bremen bedienten die Stadtwerke ausschließlich die über Jahrzehnte regierende SPD. Da die Bremer CDU, im Aufsichtsrat vertreten, nicht einmal den Versuch unternommen hat, für ihr Stillschweigen auch bedacht zu werden, steht sie heute im Untersuchungsausschuß mit weißer Michel-Mütze da und kann über die bremischen „Klaus- Thaler“ spotten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen