■ Mit dem Kahlschlag auf du und du: Krise im Wald
Freiburg (taz) – Wer an den Wald denkt, denkt meist an gute Luft und Vogelgezwitscher. Poetische Geister zitieren Goethe; UmweltfreundInnen denken an das Klima. Das alles gibt es kostenlos, was die Forstwirtschaft nicht weiter stören würde, wenn die marktfähigen Güter ein angemessenes Einkommen sichern würden. Aber nicht nur öffentliche, sondern auch Privatwälder verursachen immer häufiger rote Bilanzzahlen. Nur dort, wo die Waldeigentümer noch persönlich die Axt schwingen oder zur Motorsäge greifen, können sie mit Reinerträgen rechnen.
Das Problem der Forstwirtschaft liegt nicht in zu hohen Lohnkosten für qualifiziertes Personal, das nicht mehr verdient als in der übrigen Wirtschaft. Die Erträge aus dem Verkauf von Rohholz sind die Hauptursache der miesen Situation. Seit Jahren stagnieren die Preise oder fallen sogar – allein zwischen 1985 und 1991 gingen sie nach Angaben des letzten Agrarberichts von 100 auf 82 Prozent zurück. Ein Festmeter (Kubikmeter) Fichtenstammholz mittlerer Güteklasse kostet einen Holzkäufer heute je nach Durchmesser 110 bis 180 Mark — nicht wesentlich mehr als in den 50er Jahren. Dafür bekommt er sogar noch das vom Forstbetrieb fertig entrindete Holz an den Wegrand gelegt.
Die Natur aber produziert langsam. Selbst die schnellwüchsige Fichte braucht 100 Jahre, um zu ihrem „Umtriebsalter“ – das ist der optimale Erntezeitpunkt – heranzuwachsen. Und selbst als stattlicher Baum von 30 Metern Höhe, erreicht sie kaum mehr als zwei Festmeter verwendungsfähigen Holzvolumens.
Der Grund für die niedrigen Rohholzpreise liegt nicht so sehr in den Folgen der katastrophalen Sturmwürfe des Jahres 1990, als der Markt mit Holz überschwemmt wurde. Angesichts der recht regen Baukonjunktur dürfte dieses Holzüberangebot weitgehend abgebaut worden sein. Die Hauptursache für die Misere sind die großen Mengen importierter Rohhölzer und Holzwaren – zu Dumpingpreisen und oft mit besserer Qualität als heimische Produkte. Vor allem das unvermittelte Auftreten von Holzanbietern aus dem ehemaligen Ostblock macht den inländischen Förstern zu schaffen. Dort verursacht der große Devisenbedarf einen Raubbau mit der Ressource Wald, während die deutsche Konkurrenz sich dem forstgesetzlichen Nachhaltigkeitsgebot verpflichtet sieht – also nicht mehr Holz einschlägt, als im gleichen Zeitraum nachwachsen kann. Anders als die Landwirtschaft wird die Forstwirtschaft durch keinerlei Handelsbeschränkungen vor der Billigkonkurrenz geschützt – was übrigens von den Interessenverbänden bislang auch vehement abgelehnt wurde.
Obwohl die Forstwirtschaft, in der 1989 etwa 90.000 Menschen in Westdeutschland ihren Lohn verdienten, keine besonders starke Lobby hat, ist ihr marktwirtschaftlich notwendig erscheinender Niedergang politisch nicht gewollt. Denn damit der Wald seine Erholungsfunktion für gestreßte Städter erfüllen kann, muß er bewirtschaftet werden. Die Hoffnung vieler Waldeigentümer richtet sich deshalb nicht länger auf höhere Holzpreise, sondern auf eine Abgeltung für die Infrastrukturleistungen. Gerade jene Größe aber ist nicht seriös berechenbar. Jens Jacob
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen