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■ NeulichKrrreml-Uhren am Schlachthof

Neulich

Krrreml-Uhren am Schlachthof

Das polnische Trio, das sonntags beim Schlachthof russische Uhren verkauft, weiß: Nur von der Zeit kommt immer mehr. Diese Einsicht bringt ihnen Devisen.

Unauffällig graublond stehen die drei fast jedes Wochenende hier. Mehr ist nicht zu erfahren: Sie sprechen kein deutsch. Ihnen geht es um Uhren.

Er legt die Rehlein beiseite und greift zum Hammer- und Sichelmodell

Die liegen geordnet aus, groß und ein bißchen klobig, ein ganzer Haufen. Mit kyrillischen Lettern beschriftet: MOLPNHX. So sieht es jedenfalls aus. Auf manchen verraten arabische Buchstaben die wirkliche Marke: MOLNJA.

MOLNJA macht Stoppuhren. Und Taschenuhren am Kettchen, silbern und golden. Manche sogar mit Sprungdeckel — nein, er ist nur zum Klappen, ganz müde bewegt sich das Häubchen auf Druck. Aber die Rückseite macht Enttäuschungen wett. So plastisch tummeln sich Tiere auf dem Metall. Da möchte der Finger das Rehlein liebkosen — weicht aber schnell zurück vom kalten Metall.

Der Uhrenhändler versteht das Zucken als Abwehr. „Nicht gut?“ Er legt die Rehlein zur Seite und zückt das Hammer-und-Sichel- Modell. Lockend hält er es hoch. Dann greift er zur Kreml-Ausgabe. Das? fragt sein Blick und der Mund formt „KREML“. Trotz Sprachlosigkeit ist klar: Als schmuckes Emblem ziert der Kreml den Deckel. „Echt!“ nickt er Bestätigung.

Woher die Uhren sind, aus Moskau? „Polski“, sei er. Und die Uhr? fragt der Finger. Ach die! „Ruski“, antwortet er: „Echt!“ Moskau? — Ja, „Krrreml“, rollt er begeistert das ERRR — und wundert sich, was die Fragerei soll. „2o Mark“, beugt er weiteren Mißverständnissen vor.

20 Mark kosten bei der ersten Anfrage auch die Generalsuhren. Leicht zu erkennen am roten Zifferblatt-Stern — die haben Afghanistan gesehen. Auf Kopfschütteln hin: Militär!, ist der Händler zu Konzessionen bereit: „Kommandant“ führt er auch. Den schlichteren Stern im russischen Uhrendesign. ede

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