Dialog mit Islamisten gescheitert

■ Ägyptens Informationsminister bei Anschlag verletzt, Leibwächter getötet / Innenminister entlassen

Kairo (taz) – Gestern wurde der ägyptische Informationsminister Safwat El-Scherif bei einem Anschlag verletzt und einer seiner Leibwächter getötet. Aus zwei vor El-Scherifs Haus im Stadtteil Heliopolis geparkten Autos hatten Unbekannte das Feuer auf den Wagen des Ministers eröffnet. Offizielle Meldungen über Verhaftungen lagen zunächst nicht vor. Zu dem Anschlag bekannte sich zunächst niemand. Die gama'at al- islamiya, die sich seit Monaten Gefechte mit Ägyptens Polizei und Militär liefern und wiederholt Attentate zugaben, gehören auch diesmal zum Kreis der möglichen Attentäter. El-Scherif war ihnen besonders verhaßt, weil er in den letzten Monaten eine umfassende Medienkampagne gegen die militante Organisation koordinierte.

Aussöhnung ...

Nach dem eskalierenden Kleinkrieg zwischen Regierung und militanter islamistischer Opposition hatten die Zeichen noch in den letzten Wochen auf Dialog gestanden. Doch am Wochenende hatte Innenminister Abdel Halim Musa den Hut nehmen müssen, weil er, wie es inoffiziell hieß, mit seiner Verhandlungsbereitschaft gegenüber den militanten Islamisten zu weit gegangen sei. Die Zeitung der Regierungspartei Mayo warf dem Innenminister einen Mangel an Strategie gegen die militanten Islamisten vor. Die Vermittlungsversuche wurden damit bis aus weiteres abgebrochen.

Weiteres Blutvergießen verhindern, lautete das Motto einer Gruppe von 20 moderaten islamistischen Gelehrten und Intellektuellen, die vor zwei Wochen mit dem Vorschlag an die ägyptische Öffentlichkeit getreten waren, zwischen Regierung und militanten Islamisten zu vermitteln. Keines der Mitglieder des eigens gegründeten „Komitees der Weisen und der Aussöhnung“ gehörte direkt einer islamistischen Organisation an. „Was in Ägypten passiert, ist eine fitna – ein Bürgerkrieg zwischen Muslimen –, mit Glauben und Verstand können wir diese fitna abwenden, ließ der populäre Fernsehscheich Scharawi, eines der Komitee-Mitglieder, verlauten. Es gehe darum, weitere blutige Zusammenstöße zu verhindern, erklärte einer der Initiatoren, Fahmi Huweidi. Das Echo aus dem Innenministerium kam schnell. So schnell, daß manche glauben, das Ministerium habe den Dialog in Wirklichkeit selbst initiiert. Man dürfe keine Chance zur Verständigung auslassen, und sei sie noch so klein, ließ der jetzt geschaßte Innenminister Abdel Halim Musa auf einer Konferenz der Regierungspartei verlauten.

Der Gegenpart meldete sich aus den Gefängnissen. Einige der eingesperrten militanten Führer signalisierten Verhandlungsbereitschaft. Als direkter Ansprechpartner schien der, wegen Beteiligung an der Ermordung des früheren Präsidenten Anwar Al-Sadat zu 40 Jahren Gefängnis verurteilte Abud Zumr zu fungieren.

Die Regierung, so hieß es hinter den Kulissen, forderte den sofortigen Stopp aller militanten Aktionen gegen Touristen, Regierungs- und Sicherheitsapparat, die Abkehr von der Idee, das System zu stürzen und den Abbruch sämtlicher Außenkontakte der Gruppen. Die militanten Islamisten verlangten die Freilassung aller ihrer in den letzten zehn Jahren eingesperrten Vertreter, das Ende der Verhaftungen und einen Zugang zu den Medien. Außerdem wollten sie nicht mehr als „terroristisch“ klassifiziert werden.

Schon letzte Woche deutete sich an, daß es wohl nicht so leicht würde, miteinander ins Geschäft zu kommen. Erster Widerspruch regte sich in den jeweils eigenen Reihen. Besonders nach dem Mordanschlag auf einen hohen Polizeioffizier in Oberägypten vor einer Woche, schien das Klima umzuschlagen.

... oder eiserne Faust?

Das Kopfgeld für die Ergreifung führender gama'at-Mitglieder wurde auf umgerechnet 25.000 DM erhöht bei einem durchschnittlichen Beamteneinkommen von ca. 50 DM eine Traumsumme. Die Politik der eisernen Faust sei der beste Weg, mit den militanten Islamisten umzugehen, hieß es nach dem Mord aus Polizeikreisen.

Auch von islamistischer Seite wurde Einspruch erhoben: „Der Kampf ist eine legitime Notwendigkeit“, hieß es in einem Schreiben, das am Wochenende an alle ägyptischen Zeitungen gefaxt wurde und mit gamaat al-islamiya unterzeichnet ist. „Trotz der Folter, den Verhaftungen und dem Blut unserer Märtyrer – unser Islam ist stärker“, schrieben die Autoren. Man verwahre sich dagegen, daß diese Leute für die gama'at sprächen. Der neue Innenminister Hassan Alfi wird in den nächsten Wochen beweisen müssen, ob er eine erfolgreichere Strategie im Umgang mit den militanten Islamisten hat. Ein Neuling auf diesem Gebiet ist er sicherlich nicht. Vor seiner Amtsübernahme residierte er wie sein soeben abgesetzter Vorgänger als Gouverneur der südägyptischen Provinz Assiut, von wo aus fast täglich Meldungen von Anschlägen seitens der Islamisten und Massenverhaftungen seitens der Polizei die Hauptstadt erreichen. Die Vermittlergruppe hat jedenfalls schon ein Treffen mit ihm beantragt. Karim El-Gawhary