: Grüne Tour der Schwarzen
■ Von Lullenseilschaften und Komposthaufen oder: Sat.1 auf dem Ökotrip
Seit Beginn dieser Woche sollen Umweltbewußte mit gutem Gewissen die Birkenstockschuhe vor dem Fernseher hochlegen können. Denn anläßlich des heutigen earthday hat Sat.1 zusammen mit der Kirch-Gruppe eine „Fernsehkampagne gegen die Klimakatastrophe“ ausgerufen. Eine Woche lang bringt der Privatsender seine Vorstellungen von einem „ökologisch korrekten“ Programm auf den Bildschirm: Seit Montag werden in Shows wie „Glücksrad“ die Kandidaten mit Öko-Fragen gelöchert, und in „Einspruch!“ brüllte man sich diesmal zum Thema „Duales System“ an. [fernsehglotzer aller länder, wollt ihr denn total verblöden?, d. s-in]
Der Höhepunkt der grünen Woche bei Sat.1 steht aber noch aus: der Fernsehfilm „American Inferno“, den der Kommerzsender heute um 20.15 Uhr ausstrahlt. Unter der Regie des B-Film-Regisseurs Tom McLoughlin, dem Schöpfer so unvergeßlicher Meisterwerke wie „Freitag, der 13., 6. Teil“, schlagen sich Bonnie Redelia und Craig T. Nelson durch ein Klima-Inferno, das die USA verwüstet. In einer Nebenrolle ist Jürgen Prochnow zu sehen, der für einen Part in einem Öko-Katastrophen-Film besonders qualifiziert ist: Er hat einen Komposthaufen, wie man aus dem 50 Seiten dicken Presseheft erfährt, das, anders als sonstige Sat.1-Waschzettel, auf Umweltpapier gedruckt ist.
Doch woher kommt das plötzliche Öko-Engagement eines Senders wie Sat.1, den viele für visuelle Umweltverschmutzung halten, und der Kirch-Gruppe, die bislang als Fall für das Kartellamt galt, nicht als Kandidat für den Blauen Engel? Angerührt hat die medienwirksame Aktion Knut Föckler, bis vor kurzem Marketing-Direktor des Zigaretten-Konzerns Philip Morris. Daß der frühere Tabak- Manager einen Job beim Fernsehen bekam, hat Föckler wohl der Tatsache zu verdanken, daß die ganze Führungsmannschaft von Sat.1 aus der Branche stammt. Auch Günther Wille, Vorstandsvorsitzender beim Springer-Konzern, der mit 20 Prozent an Sat.1 beteiligt ist, war früher Geschäftsführer bei Philip Morris. Sat.1- Boss Werner Klatten kommt von dem Bremer Tabak-Konzern Martin Brinkmann AG. Diese Lullen- Seilschaft hat Föckler vor einem halben Jahr sowohl zum Programmdirektor wie zum Marketing-Chef bei Sat.1 gemacht.
Für Leo Kirch hat Föckler zuletzt die „Suche nach Scarlett“ inszeniert: Mit riesigem Presse-Trara suchten die mit Kirch verbandelten Springerblätter Bild nach einer Hauptdarstellerin für die Kino- Fortsetzung von „Vom Winde verweht“, die Kirch mitproduziert. Vornehm verschwiegen wurde dabei, daß die Chance der in Deutschland auserwählten Scarlett, in einem Hollywood-Film aufzutreten, ungefähr so groß war wie die Distanz zwischen Kirchs TV- Sendern DFS, Kabelkanal und Pro 7: nämlich gleich Null.
Nach dem Motto „Viel Lärm um nichts“ ist auch die Sat.1-Öko- Woche organisiert. Zweck der Übung scheint zu sein, dem Sender ein etwas fortschrittlicheres Image zu verpassen. Denn der ewige Zweite unter den Privatsendern hatte zuletzt auf sich aufmerksam gemacht, als er den Rechtsaußen Heinz Klaus Mertes vom Bayerischen Rundfunk abwarb. Mertes, der vom BR ein Verfahren wegen Meineids mitbrachte, steht kaum für ein „grünes“ Programm, eher für ein tiefschwarzes: Als erste Amtshandlung bei Sat.1 führte er ein monatliches Kohl-Interview live aus dem Kanzleramt ein.
Nicht nur darum gilt Sat.1 bei vielen FernsehzuschauerInnen als der Hofsender, den sich die CDU wohl gewünscht hat, als sie das Privat-TV in Deutschland durchboxte. Deswegen soll jetzt offenbar mit ein wenig telegenem Öko- Aktivismus gegengesteuert werden. Mit der grünen Tour will man die 14- bis 30jährigen ködern, eine begehrte, weil kaufkräftige Zielgruppe. Die Marktforschung zeigt, daß diese Käuferschicht mit „weichen“ Themen wie Umweltschutz oder Multikulti besonders effektiv zu knacken ist. Werbekampagnen wie die von Benetton oder Esprit hatten außerdem bewiesen, daß zum Beispiel die Abholzung des Regenwaldes problemlos als Marketing-Gag eingesetzt werden kann, ohne dadurch lästige politische Aktivitäten unter den KonsumentInnen auszulösen.
Auf der Betroffenheitsschiene will sich nun auch Sat.1 vermarkten. Da trifft es sich gut, daß man mit Knut Föckler einen Public-Relations-Mann als Programmdirektor hat, der solche Aktionen professionell organisiert. Im PR-Fachchinesisch nennt man so etwas eine „Imagekampagne“, in normalem Hochdeutsch schlicht „Augenwischerei“ [recht so, d. s-in]. Tilman Baumgärtel
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