: Nur fliegen ist schöner
■ Die Technische Universität weihte den modernsten Flugsimulator der Welt ein / 40 Millionen Mark kostet das Cockpit des Airbus A 340 "Praxis der Flugsimulation"
Berlin/Hongkong. In Honkong zu landen ist nicht ganz einfach. Wir fliegen geradewegs auf ein Bergmassiv zu. Vor uns Wolkenkratzer, unter uns auch. Das Fahrwerk streift sie fast. „Wo ist denn die Landebahn?“ fragt einer der Gäste im Simulationscockpit des Airbus 340. „Ein 130er Landeanflug“, weiß Diplomingenieur Ingo Werner (36), eine gefährliche Sache. Kein Flugkapitän, der das vorher nicht auf einem Simulator geübt hat, darf in Hongkong leibhaftige Fluggäste zu Boden bringen. Hier ist es die „totale Illusion“, wie Ingo Werner schwärmt. Bloß den Landestoß beim Aufsetzen dürfen wir heute nicht spüren. Die Bewegungssimulation ist nämlich abgestellt, weil unter dem 13 Tonnen schweren Cockpit Senatoren und Professoren an Sektgläsern nippen. Sie weihen den „Flugsimulator Airbus A 340“ ein.
Ein „langer und mühsamer Weg“ war es laut Professor Manfred Fricke, diesen modernsten Flugsimulator der Welt an die Technische Universität zu holen. Weil das nun in einer drei Stock hohen Halle in der Marchstraße stehende Gerät exorbitant teuer ist: 40 Millionen Mark. 10 Millionen kommen vom Land Berlin, Senator für Wirtschaft und Technologie. 20 Millionen vom Bund. Den Rest haben die Banken finanziert. Wofür? Das cui bono versucht Staatssekretär Kremendahl zu erläutern. Erstens die Tradition: „Berlin kehrt zu seiner Luftfahrer- Tradition zurück.“ Schon Otto Lilienthal ist in der Umgebung Berlins abgestürzt. Zweitens der Umweltschutz: Künftig müssen Piloten viel weniger Übungsstunden auf echten Airbussen fliegen. Drittens können „wir“ stolz sein, das modernste Gerät dieser Art hier zu haben. Weil, fügt Kremendahl an, „wir sind Hauptstadt, und wir wollen Olympiastadt werden“. Einwände weist der Staatssekretär als „provinziell“ zurück.
Der Simulator ist ein faszinierendes Großforschungsgerät. Nach der Pressekonferenz drängt alles in das rappelvolle Cockpit. Sogar die kritischen Asta-Leute stehen auf Zehenspitzen und verfolgen, das Geschenkköfferchen der Lufthansa unterm Arm, den Landeanflug auf Tegel, Hongkong oder einen der 40 anderen Flughäfen. Eingespeichert sind sie in die Sichtsimulation, eines von drei Elementen des Geräts. Sie suggeriert bei einem Blickfeld von 150 Grad ein „durchgängiges Bild“ von Tegel und anderen Flughäfen.
Der zweite Teil ist die „naturgetreue“ Nachbildung des Airbus- Cockpits selbst. Also all die Schalterchen, bunten Kontrollämpchen und der Steuerknüppel natürlich. Schließlich gibt es noch die, heute wegen Degustation ausfallende, Bewegungssimulation. Alle sechs „Freiheitsgrade der Bewegung“ können nachempfunden werden, wie beim richtigen Fliegen: vor und zurück, auf und ab, links und rechts. Weiterhin „rollen, nicken, gieren“. Und wozu das alles?
Die Herren überschlagen sich mit guten Gründen. Das Personal der Lufthansa kann geschult werden, zum Beispiel. Und das Zentrum für Flugsimulation, eine GmbH und zugleich ein An-Institut der TU, will Flugstunden an andere Linien verkaufen. Kostenpunkt: DM 1.500 pro Stunde. Jedoch „hat keiner bislang geordert“, wie Kapitän Dieter Harms von der Lufthansa zerknirscht bemerkt. Damit bleibt sein Unternehmen zunächst mit garantierten 2.000 Flugstunden pro Jahr einziger Kunde. Zum Vorzugspreis von DM 1.200 pro Stunde. 500 Stunden lang dürfen die TU-Studenten der Luft- und Raumfahrttechnik ihre „Praxis der Flugsimulation“ abfliegen. Eine „unendliche Liste von Forschungsthemen“ heißt der Trumpf, den Manfred Fricke zieht. Vor allem im Bereich der Mensch- Maschine-Systeme. „Wissen Sie“, nimmt ein Kapitän den Reporter zur Seite, „mir geht es vor allem um die Forschung. Schulen können wir auch anderswo. Wir knallen Flugzeuge gegen den Berg. Und wissen nicht genau, was innerhalb der Besatzung vorging.“ Und wirklich: Mit dem Flugsimulator kann man abstürzen, das ist technisch machbar. Christian Füller
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