: Mit Shakespeare gefangen
■ Das 30. Berliner Theatertreffen stellt sich der Presse vor
Torsten Maß hatte sich warm angezogen für diese Pressekonferenz, aber so wenig dieser Tag mit Sonne geizt, so wohlgestimmt sind heuer die Journalisten. Niemand will dem Berliner Theatertreffen heute an den dreißig Jahre alten Kragen, keine kritische Bemerkung stört die sonnige Stimmung, und so wirken die vielen vom Podium vorgetragenen Argumente, warum das Theatertreffen eben nicht abgeschafft werden darf, um so entlarvender.
Man hat keine Mühen gescheut: 250 Aufführungen haben sich die neun Juroren angeschaut, 82 davon kamen in die engere Auswahl. Nun sind es nur noch zwölf, fast die Hälfte, nämlich fünf, kommen aus Berlin nach Berlin. Besonders diese – natürlich über allen pekuniären Interessen schwebende – Entscheidung hat das drohende finanzielle Chaos noch einmal verhindert. Denn wie überall wurde auch am Etat des Theatertreffens herumgestrichen. „Die Kürzung muß im nächsten Jahr natürlich zurückgenommen werden“, ließ Ulrich Eckhardt, mit Torsten Maß für das Treffen verantwortlich, verlauten. Das Theatertreffen, in diesem Jahr bereits um das Rahmenprogramm verschlankt, müsse unbedingt erhalten bleiben.
Und damit die Journalisten diese Kunde auch begründet in die Spar-Republik tragen können, hat man sich gut vorbereitet: Torsten Maß reicht einen alles erklärenden Artikel durch die Reihen – „Gäbe es das Theatertreffen nicht – es müßte jetzt erfunden werden“, ist er betitelt. Aber genau das bezweifeln die Profis allerorten. Denn die deutschsprachige Leistungsschau war immer mal mehr, häufiger aber eher weniger interessant. Auch in diesem Jahr klingen die Programm-Erläuterungen etwas bemüht: Das Theater habe sich nach dem Wendejahr 89 endlich wieder gefangen, weiß Dr. Eckhardt. Die sechs eingeladenen jungen Talente stünden für eine anstehende „Wachablösung“, wie sie sich schon einmal in den sechziger Jahren vollzogen habe.
Damals wurden die Strouxs und Schenks und Schallas von den zornigen jungen Männern Zadek, Peymann, Stein abgelöst. Nun also, da es um die Herren etwas ruhiger geworden ist, gibt es weder Peymann noch Zadek – dafür politische Stücke junger, fleißigerer Regisseure: „Shooting Star“ Leander Haußmann ist „Romeo und Julia“ (München) und seinem Weimarer „Sommernachtstraum“ gleich zweimal vertreten. Konstanze Lauterbach empfiehlt uns Meister Eckhardt als „jungen Neuenfels“, und Christoph Marthaler ist der Proporz-Schweizer („Murx den Europäer!“). Hans-Urlich Beckers Gombrowicz-Inszenierung wird uns als „klein, aber fein“ annonciert, und der 50jährige Bühnenbildner Dieter Hacker („Oedipus“) ist der älteste Debütant.
Daneben dürfen aber auch die noch aktiven Schlachtschiffe paradieren: Thomas Langhoffs „Turm“, Andrea Breths „Letzter Sommer in Tschullmsk“, Kresniks „Wendewut“ stellen sich zur Schau. Bleibt noch Einar Schleefs Theater-Skandal „Wessis in Weimar“ und der Wüterrich Frank Castorf mit seinem „König Lear“. Überhaupt ein bißchen viel Shakespeare: Die große Erneuerung findet im deutschen Theater also – will man dem Abbildungsmythos Theatertreffen folgen – mit einem alten Klassiker statt. Klaudia Brunst
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen