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Heute zwei big points für Werder?

■ Nach 0:0 in Köln versucht Werder heute erneut, Deutscher Fußball-Meister zu werden

Heute zwei big points für Werder?

Nach 0:0 in Köln versucht Werder heute erneut, Deutscher Fußball-Meister zu werden

Heute abend, um 20.18 Uhr, versucht der SV Werder Bremen erneut, Deutscher Fußballmeister zu werden. Dazu muß der Erste der aktuellen Rangliste, der FC Bayern München, geschlagen werden. 40.000 Fans im Weser- Stadion und 5 Millionen SAT-1- Seher werden dabei sein. Nicht dabeisein werden Bayerns Wouters, der für Holland, Werders Libero Bratseth, der für Norwegen Weltmeisterträume verteidigen muß, und Bremens Mittelfeldspieler Herzog, dessen Fußgelenk in Köln beschädigt wurde. Der Einsatz von Bayerns Torwart Aumann ist fraglich, da sein Weisheitszahn mit Schmerzstillern gedopt wurde; der DFB muß noch vor dem Spiel über Aumanns Einsatz entscheiden. Soweit die derzeit bekannten Fakten.

Zu diesen Fakten gehören auch die Ergebnisse des letzten Freitags. Bayern schlägt Saarbrücken 6:0, Werder spielt in Köln 0:0. Beides wurde erwartet. Werders 0:0 allerdings war eher ein Sieg als eine Niederlage. Sie hat Werders neue Legende verstärkt: Olli ist unschlagbar. Oliver Reck, Bremens Torwart, hielt schließlich fünf Schüsse, denen Journalisten gewöhnlich das Etikett „unhaltbar“ ankleben. Im Weser-Stadion ließ Reck erst vier Bälle durch, 1993 noch gar keinen.

Es hat schon schlimmere Ergebnisse in Köln gegeben für Werder. Im Vorjahr zum Beispiel ein 0:5. Aber da war Werder kein Meisteranwärter. Heute darf Werder nicht schlecht spielen, weil das nicht ins Bild der Fans und der Medien paßt. „Die wollen Meister werden?“ war deshalb Freitag abend auch der häufigste Kommentar auf Pressebänken zu Werders Spiel. In 90 Minuten ein einziges Mal vor dem Kölner Tor mit dem Ball am Fuß zu stehen, das war bei einer porösen Kölner Abwehr ein Kunststück. „Gut, daß Bayern vorsichtiger spielt, nicht mit Pressing Werder unter Druck setzt“. Kölns Ex-Trainer Udo Lattek, fürs pay-Fernsehen und eine Biermarke in Köln aktiv, traf den Punkt.

Glaubt man die alte Weisheit: mißlungene Generalprobe, gelungene Premiere, so hat Werder heute beste Chancen. Das Spiel in Köln zeigte eine gemächlich über den Platz trabende Mannschaft und Bremer Stürmer, die entweder keinen Trick kennen, um Gegner auszuspielen (Hobsch, der Ossi), oder keinen versuchten (Allofs, der Wessi) oder Nächstenliebe praktizierten und nach dem Trick den Ball dem Gegenspieler zuspielten (Rufer, der Christ). Es kann also nur besser werden.

Leider gehen so einfache Weisheiten selten auf. Werders Trainer Rehagel hat recht: Bayern ist Favorit. Nicht, weil sie so stark spielen oder soviel Geld haben, das ist sowieso nur eine Bremer Mär: die von Werder verkauften Spieler (Völler, Riedle) haben mehr Geld gebracht als alle Reuters, Matthäusse und Brehmes den Bayern. Favorit ist Bayern vielmehr, weil Werder das Image anheftet, die „big points“, die entscheidenden Punkte, nicht zu gewinnen. Das war so 1986, als Kutzop den Elfmeter gegen Bayern an den Pfosten knallte. Das war so 1991, als Werder nach 18 Spielen an der Spitze Kaiserslautern die Meisterschaft schenkte.

Bei Werders Logenfanclub, den VIPs, hält sich hartnäckig das Gerücht, Werder dränge mehr zum Geld als zum Titel. Schließlich haben erfolgreiche UEFA-Cup- Teilnehmer mehr Spiele und mehr Fernseheinnahmen zu erwarten als ein künftiger Deutscher Meister. Materiell ist also eine Niederlage heute abend nicht unbedingt ein Verlust.

Die Diskussion um das Kölner Unentschieden, die big points und das große Geld wird heute abend vergessen sein. Ob Bode technisch ein Stümper gegen Bayerns Jorginho ist oder ob Neubarth doch statt Votava hätte Libero spielen sollen (denn Neubarth gewann in Köln keinen Kopfball, trotz 193 cm Länge), wen interessiert's, wenn Werder mehr Tore schießt als Bayern?

Wenn aber nicht? Dann werden wir, Journalisten und Fans, wieder spekulieren. Um die Zukunft des Trainers, über Werders Versagen, und auf die nächste Saison hoffen.

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