: St. Paulis Antwort auf die Abrißpläne
■ Die Hafenstraßen-Genossenschaft ists gegründet / Mit 100 Mark ist man dabei / 400 St. Paulianer blieben unter sich
ist gegründet / Mit 100 Mark ist man dabei / 400 St. Paulianer blieben unter sich
Die Hafenstraße sammelt ihre Genossen um sich, mit 100 Mark ist jeder und jede dabei. So viel kostet ein Anteil an der am Montagabend gegründeten gemeinnützigen Genossenschaft, viele dieser Anteile sollen es dem Wohnprojekt in St. Pauli ermöglichen, die alten Häuser weiter zu sanieren und nebenan zu bauen ... wenn Gerichte und Senat die Expansionspläne mit Kündigung und Räumung nicht vereiteln.
Zur Gründungsversammlung kamen ungefähr 400 Freunde des Wohnprojekts und engagierte Anwohner aus dem Stadtteil ins Schmidts Tivoli an der Reeperbahn. Resonanz über St. Pauli hinaus fand der Aufruf zur neuerlichen Offensive am Hafenrand kaum.
Die allesamt weiblichen Sprecher der bunten Häuserzeile stellten noch einmal die Idee vor. „Wir wollen ökologisch, gastlich und generationsübergreifend leben“, erklärte Moni Sigmund. Deshalb unter anderem in der Planung: Stadtteilversammlungshalle und öffentliches Badehaus. „Es geht uns aber nicht nur um einzelne Häuser, sondern um die grundsätzliche Frage, wie Leben in dieser Stadt überhaupt noch möglich ist“, versicherte eine andere Sprecherin. Und: „Die Gründung der Genossenschaft ist die richtige Antwort auf die Abrißpläne des Senats.“ An die Adresse der Stadtregierung erging der Appell: „Raus aus der Logik des Krieges ...“
Daß neben den Hafenstraßenbewohnern vor allem Nachbarn und andere St. Paulianer gekommen waren, entspricht dem in den vergangenen Jahren gewonnenen Selbstverständnis des Projekts: „Wir sind ein Dorf innerhalb der Stadt“, sagte eine Vertreterin. Die Bewohner orientieren sich offenbar — anders als noch zur Zeit der Barrikaden — weniger an der politischen Linken, gar an den Autonomen, verstärkt aber an „den Leuten im Viertel“. Das Wort „Heimat“ fiel am Montagabend zwar nicht, es wurde aber deutlich, daß die Genossenschaft auch ein Vehikel sein soll, denjenigen Menschen ein Zuhause zu erhalten oder zu schaffen, die das honorige Hamburg gerne ausbürgern würde.
Gewählt wurde auch, und zwar einstimmig: Ein kommissarischer, fünfköpfiger Genossenschaftsvorstand, bestehend aus dem Elternratsvorsitzenden der Schule Friedrichstraße, einem Sozialpädagogen der Schule und Bewohnern der Hafenstraße. Dem Aufsichtsrat gehören Anna Bruns, Bürgerschaftsabgeordnete der GAL, Justus Freitag, ehemaliger St. Pauli-Pastor, und Jo Ferschel, der Genossenschaftserfahrung von „Das Taxi“ mitbringt, an. Die erste Mitgliederversammlung soll in vier Wochen stattfinden, dann werden Vorstand und Aufsichtsrat noch einmal für ein volles Jahr gewählt.
Diskutiert wurde kaum, denn alle waren sich einig, daß das Projekt Hafenstraße erhalten werden müsse. An einen Abriß mochte an diesem Abend niemand denken. Nur eine Gewerkschaftsfrau beschwor die Versammelten: „Wir müssen als Genossenschaftler die Häuser verteidigen, wenn die Abrißbagger kommen.“ tos/mib
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