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Die schwarze Klammer im Kopf

■ Der Ostberliner Kurt Buchwald mit seiner „Fotografie in Aktion“ im Forum Langenstraße

Da ist ein Dampf in diesem Mann, und der Dampf will raus. Da ist eine schwarze Klammer im Kopf, die muß gesprengt werden. Wenn's dann wirklich zuviel ist, wenn's richtig drückt — dann gibt's Action. Dann schlägt Kurt Buchwald kurz und klein, dann schrubbt er ein Stalin-Bild und filtert „Stalin-Soße“ ab. Dann pißt der Ostberliner an eine Wand, auf der DEUTSCHLAND steht (eine Aktion vor der Wende), dann läßt er sie raus, die Sau, die in der DDR so fett geworden ist. Ist Dampf da (also hat er z. B. gerade Krieg, Nazis, Schweine-Kapitalisten im Kopf), tritt Kurt Buchwald immerfort von einem Bein aufs andere, faßt sich an seine proletarische Kappe und stößt ununterbrochen Sätze hervor wie „Ich arbeite gegen den Apparat“.

Er meint (auch) seinen Fotoapparat. Denn Kurt Buchwald ist Fotograf, aber konzeptioneller. Wenn ihn die Verhältnisse gerade nicht zu sehr drücken, kann er sehr akribisch und sehr fleißig arbeiten. Dann kommen die eigenartigen Fotografien heraus, die man sich jetzt im Forum Langenstraße ansehen kann. „Fotografie in Aktion“ nennt er sein Projekt.

Buchwald setzt die Kamera als Waffe ein, er findet seine Art zu „schießen“ aggressiv. Etwa wenn er Berliner Freunde bewußt unscharf abbildet. Wenn er sie an eine Wand stellt und abdrückt. Und wenn er Menschen, Autos, Stadtlandschaften durch gelochte Blenden fotografiert, die er mit einer Schiene vor die Kamera gebaut hat. So schält er Einzelheiten aus ihrer Umgebung, von der wir nur eine Ahnung bekommen. Das wenige, das bleibt, ist aber nicht ohne. Einmal steht jemand offensichtlich erheblich im Weg: Was man sieht, ist ein Stück Funkturm, ein Stück Trabbi und ein Stück Audi.

Die Lochblenden sind sein Markenzeichen. Buchwald spricht von „bewußten Bildstörungen“. Der Autodidakt (Jg.'53) kommt eigentlich aus der Techniker-Ecke. Er studierte Maschinenbau. In Chemnitz stieß er zu einer sog. „Chemnitzer Avantgarde“ um die Künstlerin Clara Mosch, dort geschahen die ersten künstlerischen Ausbrüche. Er arbeitete jedoch noch lange in verschiedenen Druckereien, zuletzt für die „Neue deutsche Bauernzeitung“, die ihm schließlich eine karge Existenz als Freier Fotograf ermöglichte. Buchwald machte Dorfreportagen. Eine Serie von Bildern zur Arbeitswelt, aus DDR-Sicht eigentlich durchaus „formalistisch“, brachte ihm auch staatliche Anerkennung und Ankäufe zweier Museen (Cottbus und Dresden).

Wo es weiter lang geht, darüber ist sich Kurt Buchwald noch nicht ganz im Klaren. Seine Aktionen „Fotografieren verboten“ (sein gelungenster Coup war die Sperrung einer Berliner Touristenattraktion, eines Brunnens — die Volkspolizei schritt eigenhändig gegen Leute ein, die Buchwalds Schild mit der durchgestrichenen Kamera ignorierten) sind ausgereizt. Die schwarzen Lochblenden alleredings, so stellte sich heraus, treten immer stärker als eigenständige Zeichen in den Vordergrund. Buchwald fängt jetzt an, sie übermannsgroß als Objekte zu bauen, die als rätselhafte Apparate ebenfalls in der Langenstraße ausgestellt sind.

Beim Wort „Größenwahn“ lebt er gleich auf, der Mann mit dem notwendigen DDR-Bart, ja, sein neuestes Projekt ist ein Riesending vor den Toren Bitterfelds, im Grunde eine dreiekkige Lochblende, aber welch ein Zeichen! „Land-Art hat mich schon immer interessiert,“ sagt Buchwald, der eher ein Christo- Bewunderer denn ein Beuys- Fan ist. Ein Christie's-Fan dagegen ist er nicht, er hat mal bei einer Auktion zugesehen, und was da für Millionen über den Tisch gingen, und zwar für tote Meister, das hat ihn angekotzt.

Er möchte außerhalb des Kunstmarktes arbeiten. Und Galerien, die mit ihm zusammenarbeiten, müssen stets auf seinen folgenschweren Satz gefaßt sein: „Paß mal auf, mich drückt jetzt irgendwas...“ Dann nämlich gibt's Aktion. In Bremen fehlte der Druck. Darum läßt sich die Ausstellung des Berliners ganz vorzüglich goutieren. Wenn nur der „elektrische Stuhl“ nicht wäre — ein Sessel mit Schnallen und Stromanschluß. Der soll nach Angaben des Künstlers darauf hinweisen, daß der Umgang mit den gelochten Scheiben nicht ungefährlich ist: Wirklichkeitsverlust droht! Burkhard Straßmann

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