: Nicht mäkeln, makeln!
■ „Grund Genug“ – die Zeitschrift für stets Anlagebereite
Wußten Sie schon, daß Roger Willemsen – weil ohne Führerschein – einen „geräumigen Altbau mit guten Verkehrsverbindungen“ bevorzugt? Daß Designer Otto Kern seine fünfstöckige Villa am linken Seine-Ufer als sein „Paradies“ bezeichnet? Daß Steve Martin sich in Beverly Hills mit einem „Graswall“ gegen Fans abpuffert? Nein? Dann sind Sie weder ein stets anlagebereiter Geldsack noch ein mittelloser Masochist.
Was? Sie lesen nicht Grund Genug, die vierteljährlich erscheinende Zeitschrift „mit den schönsten Häusern von Sotheby's International Realty zum Ansehen und Kaufen – weltweit“? Dann haben Sie womöglich nicht einmal die erste Zweitwohnung ins Auge gefaßt, oder Sie leben einfach nicht in der Nähe von „selektierten Kiosken“. Schade, denn: „Die Zeiten, sich diesen Traum zu erfüllen, waren noch nie so günstig.“
Das verkündet einer, der es wissen muß. Christian Völkers ist Herausgeber und Verleger des Magazins Grund Genug. Es erscheint bei der Engel & Völckers- Gruppe in Hamburg (Auflage 70.000, Preis DM 8,50) und ist laut Eigenwerbung eine „hochklassige Immobilien- und Wohnzeitschrift“, die insbesondere „wohlhabende Freiberufler in Europa und Nordamerika“ anspricht. Dem smarten Lockenkopf, der ein Zwilling von Max-Chef Andreas Wrede sein könnte, ist nicht entgangen, daß „die Flugverbindungen in die USA immer besser werden“ und „die Möglichkeiten der Telekommunikation in den letzten Jahren in unerhörtem Maße perfektioniert worden“ sind. Da wird die Zweitwohnung mit Fax und Modem glatt zum „Zweitwohnsitz“, mit dem der Hausherr „sein Unternehmen in der fernen Heimat“ voll im Griff hat.
Soll's die „luxuriöse Eigentumswohnung“ in Hamburg sein „mit traumhaftem Blick auf den Feenteich“? Oder lieber das „traumhafte Panorama auf die kanadischen Rocky Mountains“? Zwischen Tiffany- und Cartier-Werbung kommt auch der wilde Osten vor: eine Villa in Leipzig, römischer Stil, Baumbestand, 1.280 Quadratmeter Grundstück. Aber: leider erst teilsaniert. In Honolulu hingegen wartet eines der „außergewöhnlichsten Häuser der Welt“ mit einem „fantastischen Blick auf den Berg Diamond Head und das türkisblaue Meer“ für schlappe 22 Millionen Dollar. Der zukünftige Besitzer muß nicht zum goldenen Wasserschlauch greifen: Ein Wasserfall speist den Pool „im Stil eines natürlichen Felsbeckens“. Nachteil: Beim Rein und Raus müssen bronzene Tore von je einer Tonne Gewicht bewegt werden, neun Meter hohe Fenster wollen täglich von der Gischt der Brandung gereinigt werden. Da bleibt kaum noch Kraft und Zeit, die insgesamt 1.977 Quadratmeter große Wohnfläche zu durchqueren und die Lieblingshose im 100 Quadratmeter großen „Ankleidebereich“ zu finden.
Nicht mäkeln, makeln. Und damit es kein Umtauschfall wird, gibt's ja Grund Genug. Barbara Bollwahn
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