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"Der Fremde enthält auch ein Versprechen"

■ Friedrich-Naumann-Stiftung eröffnete Fotoausstellung über Ausländer in Deutschland /FDP-Chefin kritisierte fehlendes staatliches Konzept für Zuwanderung / Rep-Vertreter ohne "Berührungsängste"

Wilmersdorf. „Alle Parteien außer der einen“ seien vertreten, freute sich der Wilmersdorfer Bezirksbürgermeister Horst Dohm bei der Eröffnung einer Fotoausstellung über Ausländer in Deutschland im Foyer seines Rathauses. Doch da kam Protest aus der rechten Ecke, ein Rep-Vertreter fühlte sich übergangen. Hemdsärmelig, mit vorgeschobenem Bierbauch, hörte er sich die Eingangsreden an – unerschütterliches Sinnbild der traurigen Wahrheit, daß die Aufklärung meist nur die Aufgeklärten erreicht.

Auch die mahnenden Worte des Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde zu Berlin werden sein Ohr gerade mal gestreift haben. Jeder vierte Berliner Türke sei hier geboren, so Mustafa Turgut Cakmakoglu, die Ausländerfeindlichkeit treffe somit oft Inländer. Der Haß auf die Nichtdeutschen resultiere aber auch aus den eigenen verdrängten Wünschen. „Abwehr und Verlangen“ lägen dicht beieinander, denn „der Fremde enthält immer auch ein Versprechen, eine Utopie“. Die FDP-Chefin Carola von Braun wiederum erinnerte an die positiven Folgen der Immigration: „Ohne sie wären wir ein vergreistes Volk.“ Ein Konzept für eine „staatlich gelenkte Zuwanderung“, zu der es „keine Alternative“ gebe, sei jedoch – Seitenhieb auf die eigene Partei in Bonn – weder bei der Bundes- noch bei den Landesregierungen erkennbar.

Wenigstens aber zeigt die FDP- nahe Friedrich-Naumann-Stiftung mit der Ausstellung – zu der sie auch Veranstaltungen für Schulklassen anbietet – als Auftakt einer bundesweiten Kampagne „Gegen Gewalt und Fremdenfeindlichkeit“ guten Willen. Unter dem Motto „Schon wieder weggehen – aber wohin?“ – hat das Kölner Fotografenehepaar Doris und Jürgen Sieckmeyer eine Reihe von Portraits zusammengestellt: vom erfolgreichen japanischen Geschäftsmann bis zur bettelnden Roma-Frau. „Bite ajne Mark Nix Geld 3 Kinda Jugoslavis Bosna Hercegovina“ steht auf ihrem Pappschild. Ganz anders dagegen die dicke russische Kneipenwirtin, die strahlend verkündet: „Ich liebe Deutschland. Die Deutschen wissen immer, wo's langgeht.“ Das härteste Bild aber zeigt einen Illegalen, der am Grenzübergang Schmilka zwecks Suche nach Schmuggelware seine Hose herunterlassen mußte und den Betrachtern den nackten Hintern entgegenstreckt. Von ihm gibt es kein Zitat, dafür aber eins aus dem Grundgesetz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ „Ich guck' mir das so an“, verkündete der in der Nähe stehende Rep-Abgeordnete, „ich hab' keine Berührungsängste.“ Wie heroisch: ein Mann, furchtlos vor Bildern. usche

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