: Einstimmig für den Doppelpaß
■ Diskussion über Einbürgerung und doppelte Staatsangehörigkeit in der Bürgerschaft
Wer in Deutschland Deutscher werden will, hat es nicht leicht. Denn neben Anforderungen wie Unbescholtenheit, Wohnung, Arbeit und dauerhaftem Aufenthalt fordert das deutsche Recht für eine Einbürgerung immer noch die Aufgabe einer möglichen anderen Staatsangehörigkeit. Genau daran aber scheitert oft die Integration von AusländerInnen. Denn die doppelte Staatsangehörigkeit sieht das derzeit immer noch gültige „Reichs-und Staatsangehörigkeitsgesetz“ von 1913 nicht vor.
Die Frage der Veranstaltung „Ist unser Staatsangehörigkeitsrecht noch zeitgemäß?“ am Dienstag nachmittag in der Bürgerschaft war dann auch nur rhetorisch. Trotz vieler kluger Worte kam die Diskussion doch aus dem Schema deutscher Ausländerpolitik nicht heraus: Auf dem Podium saßen deutsche VertreterInnen von Politik und Verwaltung, im Publikum dagegen die betroffenen AusländerInnen.
„Nirgendwo in Westeuropa ist die Einbürgerungsquote so niedrig wie in Deutschland“, meinte Michael Göbel, Staatsrat beim Justizsenator. Statt der bisherigen Praxis des Abstammungsprinzips (Deutscher wird, wer deutsche Eltern hat) plädierte er für einen Übergang zum Territorialprinzip (Deutscher ist, wer in Deutschland geboren wurde) und einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung für dauerhaft hier lebende Ausländer mit drastisch verkürzten Wartezeiten.
Einen solchen Anspruch gibt es bisher für „Volksdeutsche“.„Der Rest ist Ermessen“, so Göbel: Wer zehn Jahre in Deutschland gewohnt hat, kann sich nach dem Ermessen der Verwaltung einbürgern lassen. Nach 15 Jahren wird daraus ein Rechtsanspruch. Doch alles unter der Bedingung, daß man seinen alten Paß aufgibt.
Diese Forderung ist das Haupthindernis für eine leichte Einbürgerung. Von den 70.000 AusländerInnen in Bremen, sagte Helmut Kauther, Staatsrat beim Innensenator, ist die Hälfte bereits seit zehn Jahren in Deutschland. Insgesamt 25.000 AusländerInnen halten sich seit 15 Jahren bei uns auf und haben damit einen Anspruch auf Einbürgerung. 1991 stellten davon jedoch nur 507 Menschen einen derartigen Antrag — weil sie damit ihren alten Paß abgeben müssen, meint Kauther. Bei der größten ausländischen Gruppe in Bremen, den 28.000 TürkInnen, haben bereits die Hälfte einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung — doch nur 228 machten 1991 davon Gebrauch.
Die Furcht vor der Abschaffung des Prinzips „Ein Mensch — eine Staatsbürgerschaft“ hielt auch der Konstanzer Jura-Professor Kay Hailbronner für übertrieben. Im internationalen Privatrecht werfe Doppelstaatsangehörigkeit „kein Problem der gerichtlichen Praxis“ auf. Zwar könne es mit der Ableistung der Wehrpflicht Probleme geben, doch werde die Zugehörigkeit zu einem Staat heute weniger als Ausdruck der Abgrenzung zu anderen Völkern verstanden, sondern eher als Zugehörigkeit zu einer politischen und sozialen Gemeinschaft. Staatsangehörigkeit solle „kein beliebig wechselbares Hemd“ sein und es müsse vermieden werden, daß „Papierdeutsche“ erzeugt würden, sagte der Jurist. Die Verweigerung der Staatsangehörigkeit sei aber „gleichbedeutend mit einer rechtlichen Ausgrenzung der Einwanderer“ und auf Dauer nicht zu rechtfertigen.
Erleichterte Einwanderung und Zulassung der doppelten Staatsangehörigkeit sind die Forderungen einer bundesweiten Unterschriftenaktion, die eine Million Stimmen zusammenbekommen will. Gestern diskutierten die Abgeordneten im Bundestag über einen Gesetzentwurf der SPD- Fraktion zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts. Dem Entwurf, der auch die Möglichkeit der Doppelstaatsangehörigkeit vorsieht, werden wenig Chancen eingeräumt. Falls es aber dennoch bis in den Bundesrat gelange, werde Bremen ein solches Gesetz unterstützen, sagte Innenstaatsrat Kauther, denn diese Absicht sei schließlich in der Koalitionsvereinbarung festgelegt.
Bernhard Pötter
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