piwik no script img

3.000.000 Telefon-Einheiten

Telekom-Profi Olaf Ludwig konnte seine Kollegen auch „Rund um den Henninger Turm“ nicht auf die Straße des Erfolges führen  ■ Aus Frankfurt am Main Ole Richards

Olaf Ludwig ist Deutschlands bestbezahlter Radfahrer. Mehr als drei Millionen Telefoneinheiten ersetzt die Telekom pro Jahr dem Geraer für seinen Wechsel zum Bonner Team. Für jene geschätzten 800.000 Mark versprach sich die Konzernleitung eine Dauerleistung ihrer radelnden Betriebssportgruppe zur Weltspitze. Nach den letzten klassischen Frühjahrsrennen beteuerte Telekoms Marketing-Direktor Thye zwar „vollständige Zufriedenheit mit den bisherigen Ergebnissen“, die Radprofis selbst jedoch sehen sich kritischer. „Meine Form war gut, die Resultate nicht“, faßt Weltcup- Verteidiger Olaf Ludwig den Saisonverlauf im Frühling zusammen.

„Das Team Telekom hat bis heute sechs Siege auf seinem Konto“, jubelt Konzerndirektor Thye weiter, „das ist schon einer mehr als in der gesamten Saison 1992.“ Dabei vergißt der Sponsor, daß er eben wegen jener Erfolglosigkeit kräftig investierte. Die Telekom-Fahrer von 1993 haben nämlich zwölf Monate vorher in ihren unterschiedlichen Teams elfmal ihr Rad als Sieger über den Zielstrich gerollt. Die Mannschaft ist also erfolgloser als voriges Jahr, was sie vor allem ihrem Aushängeschild aus Gera verdankt. Olaf Ludwig hat sein Erfolgskonto bis zum 1. Mai von sieben auf zwei Siege abgetragen.

Grund Nummer eins: die argwöhnische Konkurrenz. Durch den rudelweisen Einkauf der deutschen Spitzenfahrer rückte das Team Telekom in die Spitzengruppe der 41 Rennställe – rein etatmäßig betrachtet. Wann immer also ein Telekom-Radler angriff, attackierte oder ausriß, er wurde ernst genommen und erhielt keinen Außenseiter-Bonus. Nur der Berliner Neuprofi Eric Zabel trotzte dem unbekümmert. Neben flotten Sprüchen verfügt der Olympia-Vierte von Barcelona über noch flottere Beine, die ihm zwei Siege beim „Tirreno Adriatico“ und der Berner Rundfahrt bescherten. Inzwischen ist sich der sportliche Leiter Walter Goodefrot sicher: „Aus Zabel wird noch ein ganz Großer.“ Allerdings frühestens ins zwei Jahren.

Grund Nummer zwei: das unerfahrene Team. Olaf Ludwig hat bei der Friedensfahrt insgesamt 36 Etappen gewonnen. Das verdankte er neben seiner phänomenalen Trittfrequenz, die in Tests 255 Strampler pro Minute erreichte, einer perfekt funktionierenden DDR-Mannschaft. Auch wenn in Ludwigs neuem Team mit Ampler, Heppner, Kummer und Raab vier Sportfreunde aus alten Zeiten fahren, erreichten sie längst keine taktische Harmonie: „Die Mannschaft braucht Zeit zum Wachsen“, bittet Teamchef Goodefrot um Geduld. Eine Analyse der Frühjahrsrennen zeigt jedoch, daß Ludwigs Mißerfolge weniger mit fehlender Abstimmung als mit fehlender Kondition seiner Kollegen zu tun haben.Grund Nummer drei: der belastende Medien-Druck. So warteten die deutschen Rad-Fans bis zum 1. Mai vergeblich auf den ersten bedeutenden Saisonsieg des „besten Rad- Teams der Bundesrepublik aller Zeiten“ (Ex-Weltmeister Rudi Altig). Zur Team-Präsentation von Telekom erschienen vor „Rund um den Henninger Turm“ in Frankfurt am Main 85 ungeduldige Journalisten, die ihren Rezipienten immer wieder mitgeteilt hatten, wie groß und wichtig der Heimvorteil beim einzigen deutschen Klassiker sei. Deutschlands Sportveranstaltung mit den meisten Zuschauern bestätigte wieder: Ludwig und Co. fahren engagiert, aber glücklos, fahren aufmerksam, aber erfolglos.

Als nach 196 Kilometern kreuz und quer durch den Taunus der tapfere Franzose Jacky Durant nach 100 Kilometern Alleinfahrt von 16 Fahrern eingeholt wurde, sah sich wieder ein deutscher Radprofi mit dem Problem der fehlenden Unterstützung konfrontiert. Nur hieß er diesmal nicht Ludwig, sondern Heppner. Der 28jährige Geraer, 1992 immerhin zehnter der Tour de France, gehört auch noch 15 Kilometer vor dem Ziel einer Sechser-Gruppe an. „Da waren meine Beine aber schon zu weich“, entschuldigte Heppner seine ausbleibende Reaktion auf den Angriff des dänischen Siegers Rolf Sörensen. Heppner konnte auch der Verfolgergruppe nicht folgen, wurde sogar noch vom Hauptfeld eingeholt.Das Telekom-Team mußte sich in seinem „Heimrennen“ wieder auf seinen letzten Trumpf besinnen: Olaf Ludwig gewann den Spurt des Hauptfeldes und wurde Achter. Vor Beginn der großen Rundfahrten konnte sich der schnellste Radkurier der deutschen Post wieder nur trösten: Die Form ist gut, die Ergebnisse nicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen