: Lügen für den Miesepeter
■ Staatsrat Hoffmann hat, um sein Pleiteprojekt „Peter der Große“ durchzusetzen, das Parlament belogen / Rechnungshof rügt
Erst jetzt wird komplett ruchbar, wie anno 91 die damalige Kultur- und Bildungsbehörde mit der Bürgerschaft umgesprungen ist, um die Ausstellung „Peter der Große“ im Überseemuseum zu erschleichen. Obwohl nach allem Ermessen ein Defizit von zwei Millionen Mark vorherzusehen war, präsentierte die Behörde, namentlich Staatsrat Reinhard Hoffmann, den Abgeordneten einen trickreich ausgeglichenen Haushaltsplan. Schon der Landesrechnungshof hatte in seinem Jahresbericht 1992 die Zahlenschieberei gerügt; es war damals nur nicht so recht aufgefallen.
Jetzt hat sich am 20. April der Rechnungsprüfungsausschuß der Rüge angeschlossen; womöglich noch vor der Sommerpause verhandelt die Bürgerschaft den Fall. Und siehe, der Bericht erglänzt in neuem Licht: „Eine als haushaltsneutrale Veranstaltung geplante Ausstellung schloß mit einem Defizit in Höhe von rd. 2.760.000 DM ab. Hinzu kommen Personal- und Sachmittel, deren Wert die Behörde auf 1 Mio. DM geschätzt hat“, so steht's geschrieben.
Wie es soweit kommen konnte? Die Bildungsbehörde hat einfach irrwitzige Einnahmen angekündigt, zum Beispiel allein zweieinhalb Millionen an Eintrittsgeldern. Davon kam nicht einmal die Hälfte herein; nie und nimmer wäre die phantasierte Zahl von 300.000 Besuchern zu erreichen gewesen. Es hatte ja auch vorher niemand geglaubt, wie damals der entlaufene Projektleiter Stührmann der taz gestand. Die Zahl 300.000 war zustande gekommen, weil sich die Erwartung zweier weiterer Sponsorenmillionenen schon im Vorfeld als Aberwitz erwiesen hatte. Da rechnete man zum Ausgleich, sagte Stührmann, einfach die Zuschauererwartung hoch: „Nehmen wir 300.000 und dafür nur eine Million Sponsorengeld!“
Man lese den letzten Satz noch einmal und mit Genuß. Es kamen nämlich, wie wir wissen, nicht nur bloß halb so viele Leute; nein, es blieben natürlich auch die Sponsorengelder aus: Vordem beim „Kremlgold“ waren es ja auch nur 80.000 Mark gewesen; für den „Peter“ konnte man dann schon stolze 95.000 Mark einsammeln, fast ein Zehntel der Prophezeiung.
Der dickste Klops aber folgt sogleich: eine Million von den erwartbaren Kosten sollte, wie die Behörde versicherte, der Bund übernehmen. Das ist nun nachweislich kaltweg gelogen: Der Bund hatte das Geld zugesagt einzig unter der Bedingung, daß erstens die Ausstellung ein Defizit verursache und zweitens Bremen sich an der Deckung in gleicher Höhe beteilige. Erst bei einem Defizit von zwei Millionen hätte der Bund seine Million zugeschossen, und nur, wenn Bremen ebensoviel gezahlt hätte.
Das verschwieg die Bildungsbehörde in allen Vorlagen für den Senat, die Deputation und den Haushaltsausschuß der Bürgerschaft; das Geld firmierte dort als bedingungsloser Zuschuß. Nur in ihrem Antrag an den Bund hatte die Behörde die bremische Deckungsmillion, von der noch niemand was wissen sollte, schon heimlich zugesagt, aber das nur nebenbei.
Im übrigen hatte der Rechnungshof seine Einschätzung, „daß in erster Linie der Wunsch nach Darstellung einer ausgeglichenen Finanzierung und weniger deren Realisierbarkeit die Höhe der Einnahmeansätze bestimmt habe“, mit einer weiteren Petitesse stützen können, dergestalt nämlich, daß „eine im Oktober 1990 dem Bund übersandte Einnahmen-/Ausgabenrechnung deutlich niedrigere Beträge enthielt als diejenige, die gut zwei Wochen später dem Senat vorgelegt wurde. Die Berechnungen differierten bei den Eintrittseinnahmen um 350.000 Mark und bei den Einnahmen aus Sponsoring um 500.000 Mark.“ Zitat Ende.
Wie aber war es zugegangen, daß eine Behörde samt ihrem Staatsrat Hoffmann, der die Peterpleite von Anfang an als sein Lebenswerk betrieb, derart herunterkam? Nun, auch dafür hat der Rechnungshof den winzigen Teil einer Antwort gefunden: Es ging schon ziemlich schnell gar nicht mehr anders. Die Bildungsbehörde in ihrem Peterschwips hat nämlich dem Kreml-Museum einen Millionenvertrag unterschrieben, noch ehe in Bremen auch nur ein Pfennig bewilligt war. „Dieses Verhalten verstieß gegen Haushaltsrecht“, schrieb der Rechnungshof. Der Vertrag datiert vom 10. September 1990; ab dato gab es kein Zurück mehr, es sei denn man hätte den Kreml-Museen auch noch immensen Schadenersatz bezahlen wollen. „Die haben uns übern Tisch gezogen“, bekannte später der Ausstellungsleiter Stührmann.
In der Tat. Am 20. Dezember 1990 billigte wohl oder übel der Haushaltsausschuß nachträglich den Handstreich, und das Unvermeidliche nahm seinen Fortgang. Manfred Dworschak
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