■ Nach dem Nein des „Parlaments“ der bosnischen Serben
: Zeitgewinn für neue Schlachten

Das Votum von Pale war eindeutig. 55 Stimmen gegen den Vance/Owen-Plan, nur zwei dafür. Auch die im bosnisch-serbischen „Parlament“ zeitweise erwogene Variante, den Plan unter Bedingungen anzunehmen, wäre eine lediglich verkappte Ablehnung gewesen. In der Summe bedeuten die diskutierten Bedingungen „Änderung der Provinzgrenzen“ sowie „Landverbindungen“ zwischen den drei im Plan vorgesehenen serbischen Provinzen die Bekräftigung der alten Forderung nach einem zusammenhängenden serbischen Separatstaat in Bosnien-Herzegowina.

Der Beschluß, eine Volksbefragung durchzuführen, ist jedoch taktisch sehr viel geschickter, weil sie erneut Zeitgewinn schafft. Zwar ist – von den vielen Fragwürdigkeiten eines „Referendums“ unter den herrschenden Bedingungen einmal ganz abgesehen – nicht damit zu rechnen, daß die bosnischen Serben nach den nunmehr drei eindeutig ablehnenden Voten des „Parlaments“ dem Vance/Owen-Plan zustimmen werden. Doch können die serbischen Truppen bis zum 17. Mai wahrscheinlich nun weitere vollendete Tatsachen auf dem Schlachtfeld schaffen, ohne mit ernsthaften Konsequenzen rechnen zu müssen.

Zwar dürfte wohl keiner der im UNO-Sicherheitsrats vetoberechtigten Staaten diese Fristverlängerung offiziell akzeptieren. Doch mit der Entsendung von Vizeaußenminister Tschurkin nach Belgrad, der dort die „allerallerletzte Chance“ für eine diplomatische Lösung ausloten soll, hat sich zumindest Moskau de facto bereits auf die weitere Verzögerung eingelassen. Und auch die drei Westmächte sind noch weit von einem gemeinsamen Vorgehen entfernt. Aus unterschiedlichen Gründen. Präsident Clinton hat noch erhebliche innenpolitische Bedenken gegen jegliche Form der US-Beteiligung an militärischen Maßnahmen zu überwinden – selbst an einer UNO-Truppe zur Überwachung und Durchsetzung eines von allen drei bosnischen Kriegsparteien unterschriebenen Abkommens, zu dem es allerdings nach dem Votum von Pale zumindest vorläufig nicht kommen wird. Das Zögern in London nährt allerdings den Verdacht, es gebe – wie vom deutschen Ex-Nato-General Kielmannsegg behauptet – eine geheime Absprache zwischen den Regierungen in London und Belgrad, wonach Großbritannien sich an ernsthaften Maßnahmen gegen die Serben nicht beteiligen bzw. entsprechende Beschlüsse im UN-Sicherheitsrat und in den Nato-Gremien verhindern werde.

Unter diesen Bedingungen dürfte bei den Beratungen des Sicherheitsrates, die gestern abend begannen, kaum mehr rauskommen als die Erklärung Zepas und vielleicht weiterer umkämpfter bosnischer Städte zur sicheren Zone. Wobei diese Erklärung weitgehend symbolisch bliebe, wenn diese Zonen nicht auch durch die Entsendung zusätzlicher UNPROFOR- Truppen gesichert werden. Andreas Zumach