: Fluxus-Konzert als Erbauungsabend
■ David Moss, Ben Patterson und Henning Christiansen veranstalteten eine Musik-Performance in der HfBK
, Ben Patterson und Henning Christiansen veranstalteten eine Musik-Performance in der HfBK
Legendäre Fluxus-Musiker führten am Freitag abend in der Kunsthochschule Blowing in the wind, ein 80-minütiges Stück für Staubsauger und Zubehör auf. Der amerikanische „Pavarotti der Avantgarde- Musik“ David Moss, Stimmkünstler, Perkussionist und Miterfinder der Noise-Musik, kam aus Berlin, wo er zur Zeit als DAAD-Stipendiat lebt. Er traf sich mit zwei an der Hochschule für bildende Künste dozierenden Altmeistern der Fluxus-Bewegung, dem Dänen Henning Christiansen und dem New-Yorker Ben Patterson.
Zehn Staubsauger sorgten für einen sauberen Klangteppich, auf dem sich die sonstigen Aktivitäten zu interstellarem Geräuschmüll verbanden. So wie der Individualverkehr mit einigem Abstand sich zum Rauschen eines Stromes verdichtet, entstand hier ein Klang-fall-out von zahlreichen, einzeln ziemlich sinnlosen Aktivitäten. Zumindest den Meistern schien ihr Tun Spaß zu bringen, wohingegen die mitspielenden Schüler eher uninspiriert auf die Einsätze warteten, die Henning Cristiansen ihnen gab. David Moss percussionierte auf allem was er fand, wanderte herum und brabbelte und schimpfte intensive, aber unbestimmbare Wortfetzen in sein Funkmikrofon.
Anders als in den revolutionären Fluxuszeiten in den Sechziger Jahren kommt heute avancierte Ton- Technik zum Einsatz, der Sound wird durch gesamplete Tonquellen vom Band ergänzt und Ernst Kretzer am Mischpult wird zum gleichberechtigten Musik-Produzenten. In der Mitte des Stücks warf David Moss aus dem ersten Stock des offenen Treppenhauses Erbsen in eine Steeldrum. Nach solchem Höhepunkt imitierte Patterson mit Vogelpfeifen eine natürliche Stimmung und Moss erzeugte theoretische Stille durch imaginäre Töne: er wirft Federn in die Trommelschale.
Weiter gings mit Geblubber, das angesaugte Luftballons ausführen bis sie platzen. Ben Patterson traktierte mit Styroporstücken seinen Kontrabass, den er vor dreißig Jahren im Symphonieorchester der 7. US-Armee in Deutschland spielte. Bei allen disparaten Klangquellen erstaunlich sanft schwebend und schwellend glitt die Musik an einigen schroffen Abbrüchen vorbei und der einsetzenden Dämmerung entgegen, bis am Ende die auf einem grünen Samtkissen positionierte Spieluhr, ein Minikonzertflügel, einsam die bekannten Töne „Für Elise“ pingelte.
1In der plötzlich akustisch so leergeräumten Halle fällt der Blick auf die Texte im Jugendstil-Fenster: “ ... seit der Kunst Künder bis in trunkene Wogen, Schönheitsselig sinkt der Weltentag.“ Fluxus als Erbauungsabend, problemlos heim-
1geholt in die Hochkunst. Das meist hochschulinterne Publikum lies Hamburger Zurückhaltung walten und sich durch die ungewöhnliche Zusammenstellung dieses Fluxus- Konzerts, das laut Ankündigung „Staub aus dem Gehirn“ blasen
1wollte, nicht besonders begeistern. Was für viele immer noch einen revolutionären Touch haben mag, hat für den Kreis der Kenner längst seine festen, fast akademischen Rituale im Museum der Avantgarde. Hajo Schiff
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